Wolfgang Graf Berghe von Trips in der Formel 1 (1956 - 1961)

Der Aufstieg von Wolfgang Graf Berghe von Trips vom Sport- und Tourenwagenfahrer in die Formel 1 dauert nur rund zwei Jahre: Von 1954 bis 1956 startet er auf Porsche und Mercedes, dann verpflichtet ihn Enzo Ferrari für die Königsklasse des Motorsports. Beim Großen Preis von Italien in Monza am 1. September 1956 soll er für Ferrari starten, im Training hat er aber mit seinem Lancia-Ferrari D50 einen schweren Unfall und muss auf das Rennen verzichten.

1956

Für die Formel 1-Saison 1956 werden die Karten neu gemischt. Mercedes hatte sich nach Ende des Rennjahres 1955 vom GP-Sport verabschiedet. Mit dieser Entscheidung war zum einen das zuvor stärkste aller Teams – zwölf Starts führten zu neun Siegen (darunter dem legendären Vierfach-Triumph im britischen Aintree) – abgetreten, zum anderen müssen sich die beiden talentiertesten Piloten dieser Tage, Juan Manuel Fangio und Stirling Moss, nach neuen Arbeitgebern umsehen.

Der Argentinier unterschreibt bei der Scuderia des „Commendatore“ Enzo Ferrari und darf damit auf einen absolut konkurrenzfähigen Rennwagen hoffen, denn der Rennstall aus Modena setzt auf den Tipo D50. Das Paket dieser Boliden besteht aus dem Chassis des Herstellers Lancia, der seine F1-Pläne nach dem Unfall-Tod des zweimaligen Weltmeisters Alberto Ascari im Mai 1955 zu den Akten gelegt hatte. Angetrieben wird diese hervorragende Konstruktion von hauseigenen Motoren. Moss hingegen heuert beim einstigen ernsthaften Konkurrenten, der Officine Maserati, an.

Der Titel geht letztlich, die Entscheidung fällt beim Finale in Monza, an Fangio, und der Südamerikaner konnte rückblickend von einer großen Portion Glück sprechen, zum bereits vierten Male als Champion der Fahrer-Weltmeisterschaft gekürt zu werden. Der große Fangio, den sie ehrfürchtig den „Maestro“ nennen, benötigt die Hilfe der Glücksgöttin Fortuna? Bei Licht betrachtet ohne jeden Zweifel. Im Schlussklassement rangiert er mit 30 Punkten auf dem ersten Rang. Dahinter folgen Moss mit 27 Zählern und Fangios Stallgefährte Peter Collins mit deren 25.

Dieses Resultat ist fraglos eindeutig. Doch auf welchen Wegen ergattert sich Fangio 1956 die notwendigen Punkte zum Titelgewinn? Drei Ergebnisse stechen ins Auge, die der GP von Argentinien, Monaco und Italien. An diesen drei Renn-Sonntagen hat der Südamerikaner zunächst Pech. In Argentinien, in Monte Carlo, der Luxusgemeinde an der Mittelmeerküste, sowie im Königlichen Park von Monza wird Fangio zunächst als „Ausfall“ registriert. Trotzdem wird er in seinem Heimatland als Sieger und auf den beiden anderen Pisten als Zweiter abgewinkt …

Wie ist das möglich?

Die Lösung des Rätsels ist simpel, denn noch erlaubt es das Reglement, dass sich zwei oder noch mehr Piloten am Steuer eines Autos ablösen. Eventuell gewonnene WM-Punkte werden durch die Anzahl der an der Platzierung beteiligten Fahrer dividiert. In Buenos Aires beordert der Ferrari-Teamchef den Italiener Luigi Musso an die Boxen, wo er das Cockpit zu Gunsten Fangios räumen muss. Dieses Spiel wiederholt sich auf dem monegassischen Stadtkurs, wobei diesmal Peter Collins sein Rennauto Fangio zur Verfügung stellen muss. Diese Rechnung, die zweimal reibungslos klappte, scheint in Monza zunächst nicht aufzugehen. Zwar wird Musso bei einem Boxenstopp aufgefordert, das Cockpit seines Boliden zu verlassen, um dem unfreiwillig zum Zuschauer gewordenen Fangio die Gelegenheit zu geben, weitere Punkte zu sammeln. Doch Musso, der sich Hoffnungen machen darf, seinen Heim-GP zu gewinnen, ignoriert die Order. Wie einzementiert bleibt er hinter dem Lenkrad sitzen und gibt wieder Gas, nachdem neue Räder montiert wurden.

Als auch Collins´ Reifengummis, geschunden von den beiden mächtigen Steilwandkurven, einen Pit-Stop notwendig machen, sieht der Brite den frustrierten Nummer-Eins-Fahrer des Teams an den Boxen stehen und handelt ungefragt und kurz entschlossen: Er übergibt seinen Wagen an den 47-jährigen Fangio. Diese sportliche Handlung bringt Collins weltweit Hochachtung ein, denn zum Zeitpunkt seiner freiwilligen Aufgabe hat er noch theoretische Chancen, selbst Champion zu werden.

Spektakulär, doch zunächst wenig beachtet, verläuft hingegen am Rande des F1-Geschehens das GP-Debüt eines jungen Deutschen. Der Rheinländer Wolfgang Graf Berghe von Trips steht zu Beginn der Renn-Saison 1956 scheinbar vor dem Nichts, nachdem er zuvor für Mercedes Langstreckenrennen bestritten hatte, an denen die Stuttgarter nun auch nicht mehr teilnehmen.

Zu Beginn des Jahres bettelt von Trips den Porsche-Rennleiter Huschke von Hanstein während eines eher zufälligen Treffens in München an und fragt ihn nach einem Drive, und sein Wunsch wird erfüllt. Die Schwaben werden vom Team-Neuling nicht enttäuscht, denn seine Ausbeute beindruckt: gemeinsam mit Hans Herrmann wird er Klassensieger bei den 12 Stunden von Sebring, mit Umberto Maglioli Klassensieger beim 1000-Kilometer-Rennen auf der Nordschleife und danach folgt ein dritter Klassensieg, diesmal mit Richard von Frankenberg als Partner, beim 24-Stunden-Klassiker in Le Mans.

Diese Erfolge registriert auch Enzo Ferrari, der von Trips einlädt, beim F1-Saisonfinale in Monza einen D50 zu fahren. Doch aller Anfang ist schwer. Der F1-Rookie aus Horrem tut sich im Training während der ersten Runden mit der direkten Lenkung sowie dem zwischen Bremse und Kupplung angeordneten Gaspedal nicht gerade leicht und fährt auf den ersten Kilometern unfreiwillig Zickzack. Dann aber kommt er auf ansprechende Rundenzeiten, bevor der rote Rennwagen mit Startnummer 50 wegen eines Lenkhebelbruchs abfliegt. Von Trips wird während zwei Überschlägen aus dem Cockpit geworfen. Augenzeuge Eugenio Castellotti glaubt nicht, dass der Neuling diesen Crash überlebt haben könnte. Tatsächlich kommt der Mann, der fünf Jahre später nach dem Titel greifen wird, mit relativ geringen Blessuren davon.

1957

Überraschend setzen Juan Manuel Fangio und Ferrari trotz des Titelgewinns die Zusammenarbeit nicht fort. Glaubt man der Gerüchteküche, so geht der Bruch auf das Konto von Enzo Ferrari. Angeblich ließ der „Commendatore“ den viermaligen Champion in seinem Vorzimmer so lange schmoren, bis diesem der Geduldsfaden riss. Ohne dass Vertragsgespräche geführt wurden, reist Fangio ab. Er selbst bestätigt diese Version der Trennung nicht, doch in seinen Memoiren gibt er ihr durchaus Nahrung: Er beschreibt seine Freude darüber, bei Maserati angeheuert zu haben, und er begründet diesen Schritt vielsagend. Die Eigentümer der Firma, Graf Orsi und dessen Sohn Omar, seien wahre Gentlemen, deren korrektes Verhalten nur mit dem von Mercedes und Alfa Romeo zu vergleichen sei. Ferrari fehlt sicherlich nicht zufällig in dieser Auflistung der Ehrbaren …

Ferrari setzt in erster Linie auf Hawthorn, Collins, de Portago und Castellotti, der allerdings bereits vor dem zweiten WM-Lauf des Jahres bei Testfahrten tödlich verunglückt.

Teamkollegen des Argentiniers sind der Franzose Jean Behra, der in Frankreich lebende US-Amerikaner Harry Schell sowie Fangios Landsmann Carlos Menditeguy, der in den Fahrerlagern der Einfachheit halber Charly genannt wird. Nachdem der britische Rennstall Vanwall im Vorjahr durch eine ansteigende Formkurve auf sich aufmerksam gemacht hatte, setzt Stirling Moss auf die nationale Karte und unterschreibt beim Team des Industriellen Tony Vanderwell. Die dunkelgrünen Boliden mit ihren auffällig langen Motorhauben werden zudem von Tony Brooks und gelegentlich von dem Nachwuchs-Piloten Stuart Lewis-Evans, dem Schützling eines gewissen Bernie Ecclestone, gefahren.

Trotz seines fortgeschrittenen Alters setzt Fangio Maßstäbe: Er gewinnt zum Saisonauftakt die WM-Läufe in seinem Heimatland vor seinen drei Teamgefährten sowie in Monte Carlo und in Rouen, wo erstmals der GP des ACF ausgetragen wird. Dann, in Aintree, schlägt Moss zu. In Führung liegend ausgefallen, übernimmt der Engländer den Rennwagen seines Teamkollegen Brooks, der zum Zeitpunkt des Fahrerwechsels auf dem sechsten Rang liegt. Unter dem Jubel der Zuschauer startet Moss eine grandiose Aufholjagd und wird nach 3.06,37 Stunden als Sieger abgewinkt.

Weil sich der Vanwall nicht optimal für die Ansprüche der Nordschleife abstimmen lässt, hat Moss in der Eifel keine Chancen. Das Rennen, das letztmals über eine Länge von 22 Runden (500 Kilometern) gefahren wird, steht ganz im Zeichen von Fangio. Nach dem Start baut der Südamerikaner seine Führung vor dem Ferrari-Duo Hawthorn und Collins kontinuierlich aus. Doch nach zwölf Umläufen stoppt er an den Boxen. Während er neben seinem Maserati steht und eine Flasche Limonade leert, wird nachgetankt und neu bereift. Mehr als eine Minute liegt er nun hinter beiden Engländern, doch er gibt Gas wie ein junger Gott, schraubt den Rundenrekord auf schier unglaubliche 9.17,4 Minuten und gewinnt. Mit diesem Triumph, dem letzten seiner F1-Karriere, sichert er sich seinen fünften WM-Titel. Nie zuvor in seinem Leben, so gesteht er, sei er solche Risiken eingegangen, wie während dieser Hatz auf die beiden Ferrari.

Die zwei letzten WM-Läufe des Jahres gehen an Stirling Moss. Zunächst gewinnt er auf der 25,8 km langen Piste von Pescara. Ferrari tritt dort nicht an, weil die Scuderia nach dem Tod de Portagos während der Mille Miglia italienische Straßenrennen „bestreikt“. Musso ist trotzdem vor Ort. Mit Blick auf den noch möglichen Vize-Titel, „leiht“ ihm die Scuderia einen Rennwagen. In Monza schlägt Moss dann erneut zu, und die Schlusstabelle der WM sieht Fangio, Moss und Musso auf den ersten Plätzen.

Wolfgang Graf Berghe von Trips ist wieder mit von der Partie, auch wenn er nur eine Nebenrolle spielt. Am 10. September 1956 nahm ihn Enzo Ferrari als sechsten Werkspiloten seiner bereits legendären Scuderia unter Vertrag.

Überraschend kommt der Mann aus Horrem bereits beim Saisonauftakt am 13. Januar in Buenos Aires zum Einsatz. Zunächst darf er jedenfalls am Training teilnehmen, und anfangs tut er sich nach eigener Aussage schwer. Glücklicherweise ist der Circuit ideal für F1-Grünschnäbel, denn das von Hindernissen freie Gelände verzeiht jeden unfreiwilligen Abstecher neben die Piste. So hat er rasch den „Bogen ´raus“, schnell und sicher durch die Kurven zu driften.

Den Start des Rennens verfolgt er allerdings von der Boxenmauer aus. Gas darf er nur während der letzten 20 Umläufe des 100-Runden-Rennens geben. Collins, der in der Frühphase des Grand Prix Cesare Perdisas Auto übernommen hatte, stoppt und winkt den Reservisten Trips ins Cockpit. Der Brite erklärt dem Neuling nach dem Rennen, er habe ihn Rennerfahrung sammeln lassen, da WM-Punkte außerhalb der Reichweite lagen.

Seine nächste F1-Chance bekommt der Rheinländer anlässlich des Monaco GP. Diesmal darf er starten, muss seinen Rennwagen jedoch mit Mike Hawthorn nach dessen Crash „teilen“. Ein Motordefekt stoppt das Auto vor Erreichen des Ziels.

Noch im selben Monat fährt sich von Trips endgültig ins Herz seines Arbeitgebers, als er auf den letzten Kilometern der Mille Miglia darauf verzichtet, den führenden Stallgefährten Piero Taruffi zu überholen, obwohl der Italiener am Steuer seines waidwunden Ferrari 315S (Getriebeprobleme) keinerlei Gegenwehr leisten kann. Das Schicksal honoriert das ritterliche Verhalten des Grafen nicht: Während des Trainings für das 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring verunglückt von Trips und bezahlt den Unfall mit dem Bruch zweier Rückenwirbel.

Vom Gipskorsett befreit, fühlt er sich im Spätsommer wieder fit genug, um in Modena anzufragen, ob man ihm ein Auto für das Saisonfinale in Monza anvertraut. Enzo Ferrari willigt ein. Der Rekonvaleszent dankt das in ihn gesetzte Vertrauen mit Platz drei, der ihm erste WM-Punkte einbringt und mit Blick auf das Rennjahr 1958 Hoffnungen weckt.

1958

Die fünfte Saison der 2,5-Liter-Formel ist aus gleich mehreren Gründen denkwürdig. Was die technische Seite betrifft, so ist ab sofort Flugbenzin als Treibstoff vorgeschrieben. Bisher wurde ein Mix verwendet, der meist aus Flugbenzin, Methylalkohol, Benzol, Azeton und Nitrobenzol bestand. Den Zuschauern geht aufgrund der neuen Vorschrift der Genuss des einzigartigen F1-Geruchs verloren. Auf die zweite atmosphärisch wichtige Zutat, den Sound der Formel 1, werden die Fans erst ab 2014 verzichten müssen.

Leider wird der extrem spannende Kampf um den WM-Titel durch dramatische Ereignisse überschattet. Bekanntlich werden die 50er-, 60er und 70-Jahre Jahrzehnte später rückblickend als eine Aneinanderreihung tödlicher Unfälle dargestellt. Klammert man das 500-Meilen-Rennen von Indianapolis – das juristisch bis inklusive 1960 zum Fahrer-Championat zählte - aus, so ereignete im Verlauf aller GP-Wochenenden der WM bis zum Beginn der Saison 58 lediglich ein tödlicher Unfall: 1954 als der Argentinier Onofre Marimon mit seinem Maserati während des Trainings auf der Nordschleife bei Wehrseifen von der Piste abkam.

Doch 1958 haben die Freunde des Formel 1-Sports gleich dreimal Grund zu trauern. In Reims verliert Luigi Musso im Duell mit Mike Hawthorn um Platz Eins seinen Ferrari aus der Kontrolle und zieht sich beim Crash tödliche Verletzungen zu. Auf dem Nürburgring erleidet Peter Collins im Streckenabschnitt „Pflanzgarten“ das gleiche Schicksal, als er mit Tony Brooks um die Führung kämpft. Und nochmals überlebt ein F1-Pilot einen Unfall nicht. Als beim Großen Preis von Marokko der Motor des Vanwall von Stuart Lewis-Evans blockiert, kommt der Bolide von der Piste ab. Der Rennwagen streift einen Baum, der Benzintank reißt auf und verwandelt die Szenerie in eine Flammenhölle. Die ärztliche Versorgung ist mangelhaft. Auf dem Rückflug nach London an Bord einer Verkehrsmaschine wird er keineswegs von einem Arzt, sondern einer Krankenschwester betreut. Sechs Tage nach dem Unfall verstirbt das hoffnungsvolle F1-Talent im East Grinstead Hospital. Sein Boss Tony Vanderwell verliert daraufhin jede Freude am GP-Sport und vertraut das Material seiner rechten Hand, „Lofty“ England, an. Auf einen grünen Zweig kommt der Rennstall nicht mehr.

Was den Verlauf der Saison betrifft, so ist es das Jahr des Abschieds Juan Manuel Fangios vom GP-Sport. Maserati hat sich zwar aus der F1 zurückgezogen, doch der Argentinier hat Zugriff auf einen der zahlreichen privaten Rennwagen dieser Firma. Zweimal tritt er noch an: In seiner Heimat Argentinien sowie in Reims, wo er in den 40er-Jahren sein erstes Rennen auf europäischem Boden bestritten hatte. Unverändert ist der Maestro konkurrenzfähig: In beiden Fällen verpasst er das Podest als Vierter denkbar knapp. Zudem erobert er in Buenos Aires die Pole und fährt die schnellste Runde des Rennens.

Starke Beachtung finden auch die Formel 1-Aktivitäten der Italienerin Maria-Teresa de Filippis, die als erste F1-Fahrerin in die GP-Geschichte eingeht. Zwar scheitert sie in Monte Carlo an der Qualifikations-Hürde (nur 16 Starter sind erlaubt), doch nimmt sie in Spa, Oporto und Monza an den Rennen teil. In Belgien kommt sie auf Platz Zehn ins Ziel, dann zwei Ausfälle, wobei sie in Monza „in den Punkten“ liegt, als der Motor ihres privaten Maserati 250F streikt. Einen solchen Rennwagen kann man in jenen Tagen für umgerechnet 70.000 DM kaufen.

Der Fight um die Nachfolge Fangios entwickelt sich zu einem Duell zwischen dem Ferrari-Piloten Mike Hawthorn und Stirling Moss, der unverändert für Vanwall antritt. Moss siegt viermal, sein Rivale lediglich einmal, doch unterm Strich sammelt Hawthorn mehr Punkte und schnappt sich den Titel. 42 zu 41 endet der Zweikampf. Bei Licht betrachtet unterliegt Moss wegen seines sportlichen Verhaltens. In Oporto befindet er sich bereits auf der Auslaufrunde, als er sieht, dass Hawthorns Ferrari neben der Piste steht und er sich bemüht, sein Auto zurück auf den Asphalt zu schieben. Moss nimmt auch die Fans wahr, die Hawthorn helfen wollen. Er stoppt und hält die Zuschauer in Schach, denn wenn sie helfen würden, würde Hawthorn wegen „fremder Hilfe“ disqualifiziert. So aber erreicht er das Ziel straffrei als Zweiter und kassiert sieben WM-Punkte. Den zum Titelgewinn fehlenden Zähler (bei Punktgleichheit hätte ihm die höhere Anzahl an Siegen den Titel eingebracht) hätte sich Moss durch die schnellste Rennrunde in Portugal holen können. Tatsächlich ist er während des Rennens im Glauben, diesen Punkt sicher zu haben, weil er im Eifer des Gefechts ein Boxensignal falsch interpretiert …

Erstmals wird der Titel „Konstrukteurs-Weltmeister“ vergeben, den sich Vanwall im Jahr des Triumphs und der Tragik sichert. Parallel zeichnet sich die Zukunft ab: Zwei Siege gehen auf das Konto von F1-Rennwagen, deren Motor sich nicht vor dem Fahrer, sondern in dessen Rücken befindet: Moss fährt in Argentinien einen Cooper-Climax (Vanwall bleibt dem Rennen fern) auf Platz Eins und der Franzose Maurice Trintignant holt sich – allerdings mit einer Portion Glück – in Monte Carlo die volle Punktzahl am Steuer eines Cooper. Die Zeit der Frontmotor-Saurier neigt sich ihrem Ende zu. Kaum beachtet debütieren in Monaco das Team Lotus und der britische Fahrer Graham Hill, und schließlich zeichnet sich ein Aufwärtstrend des Rennstalls BRM ab.

Auffällig ebenfalls: Platz Zehn im Schluss-Klassement der WM teilen sich die beiden Ferrari-Piloten Phil Hill und Wolfgang Graf Berghe von Trips. Dieses Duo wird die Punktetabelle drei Jahre später dominieren.

Bevor die Saison 1958 für den Rheinländer mit einer Enttäuschung endet, holt er sich bei drei Langstrecken-Klassikern mit wechselnden Partnern Podestplätze. Für Porsche startend, wird er Champion der Europa-Bergmeisterschaft, einer Serie, die sich extremer Publikums-Gunst erfreut. Und im GP-Sport? In Reims sichert er sich Platz Drei vor dem großen Juan Manuel Fangio. Auf dem Nürburgring wird er als Vierter abgewinkt, obwohl sein Ferrari wegen Bremsproblemen (Trommelbremsen!) nicht mehr optimal bewegt werden kann. Bei Start-und-Ziel bekommen es die Zuschauer eindrucksvoll mit, mit welchen Problemen der Lokal-Matador kämpft. Um den Eingang zur Südkehre ohne Abflug zu erwischen, muss er bereits in Höhe der BOSCH-Tribüne vom Gas und herunterschalten. Letzte Punkte kassiert er in Portugal, wo er auf dem fünften Rang ins Ziel kommt.

Dann der Auftakt zum bitteren Nachtisch des Rennjahres. In Monza geht er vom sechsten Startplatz aus ins Rennen. Weit kommt er nicht. Noch im Pulk fahrend kollidiert er vor der „Lesmo 1“ mit dem B.R.M. seines Konkurrenten Harry Schell. Der Unfall hätte für beide Piloten übel enden können. Beide Autos werden arg ramponiert. Schell kommt mit relativ harmlosen Kratzern davon, von Trips mit Beinverletzungen. Die Engländer sehen also keinen Grund, dem Deutschen nicht weiterhin den Spitznamen „Count Crash“ zu geben. Und Enzo Ferrari zürnt ob des Trümmerhaufens, in den von Trips den Ferrari vom Typ Dino 246 verwandelt hat. Für 1959 bietet er dem Herrn Grafen keinen Vertrag an.

1959

Was sich ein Jahr zuvor abgezeichnet hatte, wird 1959 Wirklichkeit: Die Rennwagen mit Mittelmotor gewinnen die Oberhand. Doch in dieser Zeit des technischen Wandels benötigt der Cooper-Pilot Jack Brabham ein gerüttelt Maß Glück. Sein großer Widersacher ist Tony Brooks, den die Scuderia Ferrari angeheuert hatte, nachdem Vanwall-Teamchef Tony Vanderwell zum Rückzug geblasen hatte. Letztlich hat der Mann vom Fünften Kontinent die Nase mit 31 WM-Punkten vorn. Brooks hat vier Zähler weniger auf seinem Konto. Und Titelverteidiger Mike Hawthorn? Er erklärte nach seinem WM-Triumph seinen Rücktritt vom Motorsport. Wenig später, im Januar 59, verunglückt er im Straßenverkehr tödlich, als er seinem Jaguar die Sporen gibt.

Wer sagt, dass Fortuna Brabham zur Seite stand, hat gute Argumente. Das Programm umfasst insgesamt acht WM-Läufe, doch der gelernte Dentist Brooks bringt seinen Ferrari lediglich siebenmal an den Start. Der Termin des Grand Prix von Großbritannien kollidiert mit einem Streik der italienischen Metaller – die Scuderia Ferrari verpasst das Rennen in Silverstone.

Brooks ist trotzdem am Start. Das auf dem Totenbett liegende Team Vanwall stellt ihm einen abgespeckten Vorjahres-Wagen zur Verfügung. Das Auto ist nur noch bedingt konkurrenzfähig. Zu mehr als dem 17. Platz in der Startaufstellung reicht es nicht, und im Rennen kommt er wegen Zündungsproblemen nicht über die zwölfte Runde hinaus.

Trotz dieses Mankos kann Brooks, der die Rennen in Reims und Berlin gewinnt, seine Titelchancen bis zum Finale in Sebring, wo erstmals ein WM-GP der Formel 1 ausgetragen wird, wahren. Am Tag der Entscheidung zerstört kurz nach dem Start eine Kollision mit einem seiner Teamkollegen alle Hoffnungen auf den Titelgewinn. Brooks wird Dritter, während Brabham seinen Cooper mit trockenem Tank als Vierter über die Linie schiebt.

In der Bilanz steht der zweifelsfrei beste Fahrer dieser Epoche, Stirling Moss, wieder einmal mit leeren Händen da. Er siegt zwar in Portugal und Italien und holt sich bei seinem Heim-GP am Steuer eines der hellgrün lackierten BRP Platz Zwei, doch 25,5 Punkte reichen lediglich für Bronze

Für die größte Überraschung der Saison sorgt der Schwede Joakim Bonnier. Auf dem Dünenkurs von Zandvoort sieht der B.R.M.-Fahrer die Zielflagge mit knapp 15 Sekunden Vorsprung vor Brabham.

Das im Zweifel umstrittenste Rennen des Rennjahres ist der GP von Deutschland, der nicht auf bundesdeutschem Boden zur Austragung kommt. Aus politischen Gründen verlegt der Veranstalter den WM-Lauf nach Westberlin, wo auf der AVUS gefahren wird, einer Piste mit lediglich drei Kurven pro Runde … Um auch Bürgern der DDR, noch wird sie SBZ genannt, den Besuch zu ermöglichen, dürfen die Fans aus dem Osten – die Mauer ist erst in Planung – ihre Eintrittskarten mit Ostmark bezahlen. Der Berliner Senat tauscht dem AvD diese schwache Währung in DM um. Die nächste Gelegenheit wird sich den DDR-Bürgern erst knapp drei Jahrzehnte später bieten, wenn die Königklasse im sozialistischen Bruderland Ungarn antritt.

Es ist nicht nur der erste WM-GP, der außerhalb des Hoheitsgebietes des Veranstalter-Landes ausgetragen wird, sondern auch der erste und einzige, der offiziell in zwei Läufen über die Asphaltbühne geht. Zweimal müssen je 30 Runden gefahren werden. Der Grund für die „Halbzeitpause“ liegt auf der Hand: Der Simpel-Circuit verfügt über einen kritischen Knackpunkt – die mächtige, extrem überhöhte Nordkurve mit dem legendären Ziegelbelag. Um die Boliden technisch durchzuchecken, nachdem sie diese Strapaze 30 Mal bewältigten und um die Reifen zu wechseln, wird pausiert.

Gefallen findet diese Kurve beim Gros der Fahrer nicht. Stirling Moss, der die Gefahren des Motorsports prinzipiell sogar schätzt, nennt die Ziegelwand eine „Rutschbahn in den Tod“. Und tatsächlich fordert sie samstags ein Opfer. Während eines Rennens für Sportwagen bis 1500 ccm, das von Trips gewinnt, wird der Porsche des Franzosen Jean Behra über den oberen Rand der Bahn hinausgetragen. Er prallt gegen den Sockel einer Flakstellung aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Fahrer wird aus dem Cockpit katapultiert und gegen einen Fahnenmast geschleudert … Behra verliert augenblicklich sein Leben. Sonntags hat Hans Herrmann hingegen eine Portion Glück, als er in der siebten Runde des zweiten Laufs in der Südkurve spektakulär abfliegt und mit einigen Kratzern davonkommt. Um Gras über den Berlin-Ausflug wachsen zu lassen, trägt der AvD 1960 keinen nationalen GP der Fahrer-WM aus.

Als Flop erweist sich der Einstieg des Teams Aston Martin in die Königsklasse. Ermutigt durch die Erfolge im Langstreckensport wagen die Briten den Schritt, doch sie haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Die Frontmotor-Konstruktion erfüllt die Erwartungen nicht ansatzweise. Viermal tritt Aston Martin erfolglos an.

Neben Brabham und Bonnier wird mit dem Neuseeländer Bruce McLaren ein weiterer Name in die Liste der GP-Sieger aufgenommen. Der blutjunge Rennfahrer, 1937 geboren, gewinnt den GP der USA und steht vor einer großartigen Zukunft im Cockpit und als Teamchef.

Im Rennen, das der „Kiwi“ gewinnt, mischt auch Wolfgang Graf Berghe von Trips wieder mit. Es ist nicht sein erster Auftritt am Sonntag eines WM-GP, denn bereits in Monte Carlo ist er am Start. Am Steuer eines Porsche ist er neben Cliff Allison und Bruce Halford einer von drei F2-Piloten, die sich für diesen WM-Lauf qualifiziert haben. Im Rennen währt die Freude des Trios nicht lang, denn kurz nach dem Start stehen die F2-Autos nach einem flotten Dreier ramponiert am Pistenrand. Ohne Schrammen geht es für den Grafen auch in Sebring nicht ab, aber er kommt als Sechster ins Ziel. Seine Leistung wird anerkannt, sieht man von der Meinung seines Stallgefährten Tony Brooks ab. Weil ihm von Trips im Getümmel der Startrunde ins Heck gefahren war, hatte der Engländer sein Auto an den Boxen inspizieren lassen. Das Auto war okay, Brooks gab wieder Gas. Doch der Stopp kostet ihn den möglichen Sieg, mit dem er sich zum Champion gemacht hätte.

1960

Als die neue Saison beginnt, blickt Wolfgang Graf Berghe von Trips auf die F1-Erfahrung zurück, die er bei elf WM-Grand Prix sammeln konnte. In den kommenden Monaten wird er es als Mitglied der Scuderia Ferrari auf weitere acht GP bringen, inklusive seiner Teilnahme in Monza am Steuer eines Formel 2-Autos sogar auf neun. Ein Blick auf den F1-Kalender zeigt: Bei jedem WM-Lauf ist er am Start, wenn man die 500 Meilen von Indy – es ist das elfte und letzte „Gastspiel“ des US-Klassikers im Rahmen des Fahrer-Championats – ausklammert.

Nach holprigem Beginn macht Jack Brabham eindrucksvoll klar, dass er den Titel nicht abgeben wird. Die Frontmotor-Konstruktionen hatten im Vorjahr ihre letzte Chance verspielt, den Champion zu stellen. Jetzt, in der letzten Saison der 2,5-Liter-F1, ist der Zug zugunsten der Wagen mit Mittelmotor abgefahren. Allen Erkenntnissen zum Trotz tritt Aston Martin noch einmal, in England, an. Mit dem Team Scarab aus den Vereinigten Staaten von Amerika, steigt letztmals ein Rennstall mit der technisch überholten Bauweise an und erweist sich zwangsläufig als Totgeburt.

In Buenos Aires kommt Brabham nicht über die Runden, weil der Antriebsstrang seines Coopers auf halbem Weg streikt. Der Sieg geht an seinen Stallgefährten Bruce McLaren, der damit so weitermacht, wie er die Vorsaison beendet hatte. Platz fünf geht an Wolfgang von Trips. Einen Rang hinter dem Rheinländer wird Innes Ireland abgewinkt. Der Auftritt des Schotten ist denkwürdig, denn er pilotiert den brandneuen Lotus 18, der extrem spät auf die Räder gestellt wurde. Auf dem Werkshof des Teams Probe gefahren und dann per Luftfracht nach Argentinien transportiert, wo der zierliche Wagen gerade rechtzeitig um Trainingsbeginn eintrifft. „Natürlich“ handelt es sich um einen Wagen mit Mittelmotor. Sein Trockengewicht liegt bei 390 Kilogramm. Zum Vergleich: Der Ferrari 246 bringt je nach Ausführung 550 bzw. 560 kg auf die Waage. Lotus-Teamchef Colin Chapman hat hinten auf Querlenker verzichtet, deren Aufgabe die Antriebswelle übernimmt – klug durchdacht, doch auch riskant, da es im Fall eines Defektes der Welle nahezu zwangsläufig zu einem Radverlust kommt.

Der zierliche Lotus steht beim Start auf P2 und übernimmt sofort die Führung, bevor er sich nach zwei Runden dreht und zurückfällt. Stirling Moss, der fahrerische Maßstab dieser Zeit, bringt Platz drei keinen einzigen WM-Punkt. Er übernahm nach seinem Ausfall das Auto von Maurice Trintignant. Ein solches Carsharing ist unverändert erlaubt, doch geteilte Punkte gibt es in diesem Fall seit 1958 keine.

Für den zweiten WM-Lauf des Jahres erwirbt Teamchef Rob Walker für Moss einen Lotus 18, den der Brite auf Anhieb zum Sieg fährt. Bruce McLarens „Siegesserie“ reißt, der Neuseeländer landet vor Trips´ Stallgefährten Phil Hill auf dem zweiten Platz Der Titelverteidiger geht erneut leer aus. In Führung liegend, dreht er sich und nimmt „fremde Hilfe“ in Anspruch, um das Rennen wieder aufnehmen zu können. Der Regelverstoß wird umgehend mit einer Disqualifikation bestraft. Trips kommt zwar nicht über die Runden – ein eigenhändiger Reparaturversuch im Bereich der Casino-Steigung scheitert –, wird aber als Achter gewertet.

Im Verlauf der folgenden fünf WM-Läufe legt Brabham den Grundstein für die erfolgreiche Titelverteidigung: Er gewnnt in den Niederlanden, Belgien, Frankreich, England und Portugal.

Während der eindrucksvollen Siegesserie des Australiers ereignen sich tragische Unfälle, Abschiedsvorstellungen und zudem kündigt sich die Zukunft an. Im Verlauf des Trainings für den GP von Belgien verunglückt Stirling Moss, weil sich ein Hinterrad seines Lotus selbständig macht. Der Brite wird aus dem Cockpit geschleudert und zieht sich schwere Beinbrüche zu. Parallel verunglückt sein Landsmann Mike Taylor, weil die Lenksäule seines Lotus bricht. Im Rennen kommt es noch weitaus schlimmer: Im Duell mit dem Belgier Willy Mairesse kommt Chris Bristows Cooper von der Piste ab. Der Brite verliert auf der Stelle sein Leben. Fünf Runden später wird Alan Stacey bei Topspeed von einem Vogel am Kopf getroffen. Er kann seinen Lotus nicht mehr kontrollieren und zieht sich beim zwangsläufigen Sturz ebenfalls tödliche Verletzungen zu.

In Reims taucht zum letzten Mal ein Vanwall auf, den Tony Brooks pilotiert, der die übrigen WM-Läufe auf einem Kunden-Cooper bestreitet. Die „Lowline-Version“ bringt ihn in der Startaufstellung auf den 14. Rang. Während des Rennens wirft Brooks nach drei Boxenstopps wegen Getriebeproblemen das Handtuch. Zwei Wochen später tritt Aston Martin letztmals an.

Was die F1-Zukunft betrifft, so debütiert in Zandvoort ein gewisser Jim Clark, der zwar wegen eines Getriebeschadens seines Lotus nicht über die Runden kommt, doch bereits das tragische Rennen in Spa-Francorchamps als Fünfter beendet. Der Schotte ist ein kommender Champion, was ebenso für den „gelernten“ Motorradfahrer John Surtees gilt, der 1960 viermal um WM-Punkte kämpft. Bereits bei seinem dritten Einsatz – im portugiesischen Oporto – sichert er sich die Pole-Position und fährt zudem die schnellste Rennrunde.

Wolfgang Graf Berghe von Trips sammelt bis dahin bereits acht WM-Punkte. Als Vierter verpasst er das Podest in Portugal denkbar knapp, als Fünfter kommt er in Argentinien und Holland ins Ziel. Dass der Graf aus Horrem siegen kann, beweist er bei F1-Rennen, die keinen WM-Status haben: Er gewinnt den GP von Syrakus und den auf der Solitude ausgetragenen.

Seine beiden letzten WM-Punkte der Saison holt sich von Trips in Monza. Sportpolitische Wirren gehen dem Rennen voraus. Letztlich bestreiken die britischen Werks-Teams Cooper, Lotus und BRM diesen WM-Lauf, weil sie die beiden Steilwandkurven wegen der immensen Belastung der Reifen als zu gefährlich einstufen. Trips bekommt einen F2-Ferrari mit Mittelmotor anvertraut und wird Fünfter, was ihm zwei weitere Zähler einbringt. Die volle Punktzahl kassiert sein Teamkollege Phil Hill, der sich damit in der Punktetabelle entscheidend von dem Deutschen absetzen kann. Dank der Abwesenheit der streikenden grünen Werks-Teams steht zum letzten Mal ein Pilot eines Rennwagens mit Frontmotor auf der obersten Podeststufe.

Die Scuderia Ferrari bleibt dem GP der USA, der diesmal in Riverside ausgetragen wird, fern. Das hält von Trips nicht davon ab, auch dort anzutreten. Die Scuderia Centro Sud heuert den Rheinländer an, um einen Cooper-Maserati zu fahren. Außerhalb der Punkteränge beendet er das Rennen und belegt im Endklassement der Saison den sechsten Platz. In Riverside steht der genesene Brite Stirling Moss, der seit dem Portugal GP wieder mitmischt, im Scheinwerferlicht. Nichts hat er verlernt: Er sichert sich den finalen WM-Lauf des Jahres mit fast 40 Sekunden Vorsprung vor Innes Ireland.

1961

Mit Jahresbeginn gilt ein neues F1-Reglement. Rechtzeitig angekündigt, wird der Hubraum der Motoren um einen Liter auf 1,5 Liter reduziert. Die Maßnahme soll der Sicherheit dienen, ebenso wie ein Überrollbügel hinter dem Kopf des Piloten.

Die englischen Motorenhersteller – Climax und B.R.M. – glauben bis zuletzt, die Hubraumreduzierung werde seitens der FISA, der Sportabteilung des Weltverbandes FIA, zurückgenommen. Entsprechend werden seriöse Vorbereitungen auf die neue Herausforderung vernachlässigt. Ganz anders Ferrari. Mit einer zeitgemäßen Mittelmotor-Konstruktion wurden bereits 1960 in der Formel 2 ausgiebig Erfahrungen gesammelt. Und jetzt präsentiert die Scuderia mit dem Tipo 156 einen ausgezeichneten Rennwagen. Die Herzen der Fans erobert dieser Ferrari durch sein charakteristisches „Haifischmaul“.

Ebenfalls gut vorbereitet scheint der F1-Einsteiger Porsche. Die Stuttgarter hatten sich für die Einführung des neuen Motoren-Reglements starkgemacht und bieten der Konkurrenz mit einem luftgekühlten Vierzylinder die Stirn. Die hochgesteckten Erwartungen werden die Schwaben aber nicht erfüllen.

Enzo Ferraris Team tritt mit Phil Hill, Wolfgang Graf Berghe von Trips und Hills amerikanischem Landsmann Richie Ginther als drittem Piloten an. Gelegentlich wird das Trio verstärkt, da sporadisch auch Olivier Gendebien, Giancarlo Baghetti, Willy Mairesse und zuletzt Ricardo Rodriguez eingesetzt werden. Da der Sechszylinder aus Modena den Konkurrenz-Aggregaten überlegen ist, zweifelt die Fachwelt nicht an einem Durchmarsch der Roten.

Doch beim Saisonauftakt am 14. Mai kommt in Monte Carlo alles anders. Stirling Moss beherrscht das 100-Runden-Rennen, obwohl dem Climax-Vierzylinder seines Lotus im Vergleich mit dem italienischen V6 rund 25 Pferdestärken oder 16 Prozent fehlen. Auf dem fahrerisch anspruchsvollen Straßenkurs kann der Engländer den Power-Nachteil durch sein Können am Volant kompensieren. Trips folgt hinter dem Spitzenreiter und seinen beiden Teamkollegen Ginther und Hill als Vierter. Wegen eines Defekts erreicht er das Ziel nicht, doch den vierten Platz und die damit verbundenen drei WM-Punkte behält er.

Eine Woche später stockt er sein Punktekonto deutlich auf. Auf der Piste von Zandvoort gewinnt der Deutsche seinen ersten WM-Grand Prix, was neuerdings mit neun Punkten belohnt wird. Die Siegerehrung verpasst der Graf infolge eines Missverständnisses. Er selbst gesteht, wie schwierig es war, auf dem schmierigen Asphalt – der Mix aus Öl, Gummiabrieb und Sand sorgte nicht gerade für Grip – fehlerfrei zu bleiben. Und er bedankt sich bei „Philli Hilli“ dafür, dass er ihm den Rücken freihielt.

Wie schon an der Nordseeküste, steht Phil Hill auch in Spa auf der Pole. Diesmal nimmt er seinem deutschen Stallgefährten 0,8 Sekunden ab. Auf der 14,1 Kilometer langen Ardennen-Piste ist gegen die Ferrari-Power kein Kraut gewachsen. Die Scuderia tritt mit vier Piloten an, da das Stamm-Trio durch den einheimischen Olivier Gendebien, der einen gelb lackierten Wagen fährt, ergänzt wird. Hill siegt mit knapp einer Sekunde Vorsprung vor Trips. Ginther und Gendebien machen Ferraris Grand mit Vieren komplett. In der WM-Wertung führt Hill nun mit einem Zähler Vorsprung vor Trips.

Und weiter rollt der F1-Express durch die Lande. Nächste Haltestelle: Reims. Wie schon in Spa gilt erneut, dass Ferrari auch auf dieser Hochgeschwindigkeitsstrecke unschlagbar ist. Doch grau ist alle Theorie, und letztlich braucht Ferrari Glück. In der sommerlichen Hitze der Champagne werden drei Ferrari den Erwartungen aus unterschiedlichen Gründen (Defekte, Dreher) nicht gerecht. Lediglich der vierte, von Giancarlo Baghetti gefahrene, Werkswagen kommt problemlos über die Distanz. In der Schlussphase des Rennens ist der Italiener, der seinen ersten WM-GP bestreitet, in ein Duell mit dem Porsche-Piloten Dan Gurney verwickelt, das er mit einem Vorsprung von einer Zehntelsekunde für sich entscheiden kann.

Im verregneten Aintree schlägt Ferrari zurück: Trips siegt vor Hill und Ginther. Auf der tückisch nassen Piste mischt auch Moss wieder einmal vorn mit. Bis in die 50. der 75 Runden hält er den zweiten Platz, dann stoppen ihn Bremsprobleme. Nur kurz ist er „arbeitslos“, dann übernimmt er den Ferguson P99 Jack Fairmans. Wenig später wird er von der Rennleitung disqualifiziert, da er diesen Ferguson im Training nicht gefahren war. Der P99 ist ein technisches Kuriosum. Angetrieben wird er von einem Frontmotor, doch es handelt sich keineswegs um eine herkömmliche Konstruktion dieser Bauweise, denn er ein 4WD-Car – ein Auto mit Vierradantrieb.

Auf der Nordschleife des Nürburgrings meldet sich der zweimalige Champion Jack Brabham zurück. Im bisherigen Saisonverlauf hat der Australier lediglich vier Punkte sammeln können. Jetzt aber wird sein Cooper von einem neuen Climax-Motor angetrieben, einem Achtzylinder, dessen Leistung ist den Ferrari ebenbürtig. In der Startaufstellung steht er in der ersten Reihe zwischen dem Pole-Setter Phil Hill und Stirling Moss. Trips ist „nur“ Fünfter. Brabham kann zwar den Start für sich entscheiden, doch schon in der ersten Runde rutscht er im Streckenabschnitt „Hatzenbach“ von der Bahn. Anschließend spielt Moss sein Können auf der mit Kurven gespickten 22,8 Kilometer langen Piste voll aus und kann die Ferrari-Fahrer Hill und von Trips – die in dieser Reihenfolge auf den Rängen Zwei und Drei ins Ziel kommen – locker auf Distanz halten.

Dank seiner bisherigen Erfolge führt von Trips die Punktetabelle nun mit 33 Punkten an. Vier Zähler zurück folgt Hill. Zweimal noch werden Punkte vergeben, und der Deutsche hat sehr gute Chancen, Champion zu werden.

In Monza sichert sich der größte Sohn der Gemeinde Horrem erstmals bei einem WM-GP den besten Startplatz. Bereits in Spa fuhr keiner seiner Rivalen schneller als er, doch Teamkollege Hill erzielte die identische Rundenzeit ein wenig früher, was ihm die Pole einbrachte. Am Samstagabend legt sich Trips um 23.00 Uhr schlafen, ausgeruht will er am Sonntag sein, denn möglicherweise kann er sich bereits den Titel sichern.

Am späten Vormittag des 10. September testet von Trips einen VW1500. Der Test war für den folgenden Montag geplant, doch der Titelanwärter will sich „ablenken“. Der Start des Rennens ist auf 15.00 Uhr angesetzt.

Während der ersten Sekunden des Rennens kann von Trips die optimale Ausgangsposition nicht nutzen. Er fällt zurück, doch das Rennen ist lang. Auf dem Weg nach vorn überholt Trips im Verlauf der zweiten Runde Jim Clark. Nach allen bisher gesammelten Erfahrungen kann er den Schotten damit „abhaken“, denn der Lotus des Schotten wird vom relativ schwachen Climax-V4 angetrieben. Aber der Lotus ist leicht, weshalb er später abgebremst werden muss. Als von Trips seinen Tipo 156 auf der Anfahrt zur Rechtskurve „Parabolica“ auf die linke Pistenseite lenkt, um den Bogen korrekt nehmen zu können, hat Clark auf dieser linken Seite zum Konter angesetzt. Das rechte Vorderrad des Lotus berührt das linke Hinterrad des Ferrari …

Die Folgen sind grausam. Wolfgang Graf Berghe von Trips überlebt den Unfall – seinen dritten schweren in Monza – nicht. Mit ihm sterben zwölf Zuschauer, zwei weitere später an den Folgen ihrer schweren Verletzungen. Clarks Lotus kreiselt und kommt zum Stand, kein Haar des Schotten wird gekrümmt..

Am 14. September wird Wolfgang Graf Berghe von Trips in der Gruft seiner Familie bestattet. 10.000 Trauergäste, darunter zahlreiche seiner Rennfahrer-Kollegen, geben dem Vize-Champion posthum das letzte Geleit.

Nachdem sich Phil Hill in Monza durch einen Sieg zum Weltmeister gemacht hat, verzichtet Ferrari auf einen Einsatz beim Saisonfinale in den USA, wo sich Innes Ireland (Lotus), Dan Gurney (Porsche) und Tony Brooks (BRM) in dieser Reihenfolge die Podestplätze sichern.

Achim Schlang

 

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