„Im ersten Augenblick sticht er nicht aus der Menge. Jörg-Thomas Födisch ist groß, schlank, hat graumelierte Haare, trägt Brille und einen gepflegten Schnauzer. Wer das Außergewöhnliche an dem gebürtigen Pössnecker (Thüringen) entdecken will, muss schon in den Keller seines selbst gebauten Einfamilienhauses in Swisttal-Heimerzheim steigen. Dort lagern Motorsport-Raritäten von großem Wert: etwa 500 Motorsportbücher und die gesammelten Ausgaben der gesamten deutschsprachigen Motorsport-Fachzeitschriften.“ So beginnt ein Beitrag von Ina Reckziegel im Magazin Sport Auto, der im Mai 1984 erschienen ist und der ihn damals einer größeren Öffentlichkeit bekannt machte. Lassen wir uns von einer außergewöhnlichen Leidenschaft berichten…
Den anderen Teil seines Archivs hat Födisch im Kopf gespeichert – so, wie andere Leute Telefonnummern. Födisch ist motorsportbegeistert. „Für mich hat der Rennsport einen großen Stellenwert“, begründet er seine Leidenschaft. „Obwohl ich jahrelang Fußball und Tischtennis spielte, und deshalb sogar zahlreiche Formel-1-Rennen verpasste.“
Erwischt hat ihn der Motorsport-Bazillus bereits im frühesten Kindesalter. Jörg-Thomas war gerade ein Knirps von sechs Jahren, als sein Vater – einst Drucker im Vogel-Verlag, im Krieg Bomberpilot, danach Fluglehrer und Flugleiter – ihn zu den Leipziger Stadtpark-Rennen, nach Hohenstein-Ernstthal und zum Schleizer Dreieck mitnahm.
Sehr bald waren den Beiden diese Veranstaltungen zu klein geworden. Mit einem ihrer Lastwagen fuhren sie zur Berliner Avus. Auf der Ladefläche waren angeschraubte Sitzbänke für rund 20 Motorsportfans.
1956 kam dann die erste große Veränderung im Leben von Jörg-Thomas Födisch. Sein Vater floh aus der damaligen DDR, ein Jahr später folgten er und seine Mutter über die Grenze Berlins nach. Nun, im "Goldenen Westen" gelandet, waren dem Motorsport-Enthusiasmus von Vater und Sohn keine Schranken mehr gesetzt.
„Anfangs waren wir oft am Nürburgring“, erinnert sich Födisch, „und da wurde der Große Preis von Deutschland 1957 auf der Nordschleife für mich zum Schlüsselerlebnis". Damals gewann der Argentinier Manuel Fangio. „Seine Aufholjagd gegen die beiden Ferrari-Fahrer Hawthorn und Collins werde ich nie vergessen. Später sprach man ja sogar vom Jahrhundert-Grand-Prix.“ Vorerst begnügte sich Födisch aber mit dem Sammeln von Autogrammen, erst 1961 sah er seinen zweiten Großen Preis auf dem Nürburgring. „Es war der Formel-1-Lauf, den Stirling Moss auf seinem Lotus gegen die Ferrari von Graf Trips und Phil Hill gewann.“
Wie ernst er das Autogrammsammeln genommen hat, lässt sich daran erkennen, dass er sogar seinen Vater bat, ihn nach dem Rennen am Nürburgring zur Burg Hemmersbach nach Horrem zu chauffieren, um sich dort eine Unterschrift des Formel-1-Stars Wolfgang Graf Berghe von Trips zu holen. Rund zwei Wochen später verunglückte Graf Trips in Monza tödlich ...
Es gibt eigentlich nur wenige Ereignisse und Entwicklungen im Formel-1-Rennsport vergangener Jahre, über die Födisch nicht detailliert Auskunft geben könnte. Vor allem die damaligen Grand-Prix-Fahrer wie Alberto Ascari, Juan Manuel Fangio, Stirling Moss, Peter Collins, Graham Hill, Jim Clark, Wolfgang von Trips, Phil Hill und Dan Gurney beeindrucken ihn. An Phil Hill und Dan Gurney hat der Swisttaler besonders gute Erinnerungen: Er wurde einige Male von ihnen in die USA eingeladen. Aber auch Jim Clark, Automobilweltmeister der Jahre 1963 und 1965, gehört für Födisch zu den legendären und herausragenden Fahrern seiner Epoche. Mit dem Schotten verbindet ihn eine ganz besondere Geschichte. Födisch berichtet: „1979 bekam ich von den Eltern Clarks eine persönliche Einladung zu einem Besuch auf deren Farm Edington Mains nahe Chirnside in Schottland. Für mich ein unvergessliches Erlebnis, weil ich zusammen mit den Eltern Clarks auch vom Bürgermeister empfangen wurde.“
Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre hießen seine „neuen Matadore“ Jackie Stewart, Emerson Fittipaldi, Jo Siffert, Pedro Rodriguez und Jacky Ickx, um nur einige zu nennen. Födisch berichtet: „Bei einem weiteren USA-Besuch traf ich Fittipaldi in Miami. Er hatte sein Büro in einem Hochhaus und erzählte mir, eine Etage über ihm würde ein weiterer ,Rennfahrer‘ wohnen: Don Johnson, der TV-Star aus ,Miami Vice‘. Jahre später, bei einer Südfrankreich-Tour, besuchte ich auch den britischen Automobilrennfahrer Roy Salvadori in Monte Carlo und danach den belgischen Formel-1-Piloten und Buchautor Paul Frère.“
Trotz vieler Rennbesuche auf den Grand-Prix-Strecken in Europa ist Jörg-Thomas Födisch seiner „zweiten Heimat“ Swisttal immer treu verbunden geblieben. Von dort aus konnte er relativ schnell zu zahlreichen Rennstrecken fahren. „Der legendäre Nürburgring mit seiner weltbekannten Nordschleife bleibt für mich nach wie vor das Nonplusultra. Sie ist meiner Meinung nach die anspruchsvollste und landschaftlich schönste Strecke der Welt. Obwohl der Kurs seit seiner Eröffnung 1927 umgebaut wurde, ist der einmalige Charakter dieser ,Eifel-Berg- und Talbahn‘ in etwa erhalten geblieben und spricht auch heute noch die Fans an“, sagt Födisch.
Sein besonderes Interesse galt der Rennsport-Fotografie, die er aber nur als Hobby betrieb. Mit großer Unterstützung renommierter Bildreporter verfasste er ab 1986 erste Rennberichte und Veröffentlichungen zum Themenkomplex „Rennsport, Graf Berghe von Trips und Nürburgring“. In den 1990er-Jahren nahm Födischs Interesse an der „modernen“ Formel 1 ab. Er interessierte sich mehr und mehr für historische Automobil-Events, beispielsweise für das „Festival of Speed“, das „Goodwood Revival“, den Oldtimer Grand Prix am Nürburgring, die „Classic Days“ auf Schloss Dyck oder Veranstaltungen wie den „Autojumble“ in Beaulieu und der „Retromobile“ in Paris.
Zu dieser Zeit engagierte sich Födisch bereits ehrenamtlich in der „Villa Trips – Museum für Rennsportgeschichte“ nahe Burg Hemmersbach in Horrem (ehemals Alterssitz der Gräfin Thessa Berghe von Trips, der Mutter des Rennfahrers Wolfgang Graf Berghe von Trips). Später übernahm er dort die Funktion des Museumsleiters.
Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Juliane Klingele betreute er in der "Villa Trips" die Ausstellungsräume, in denen der Nachlass des Rennfahrers Graf Berghe von Trips präsentiert wurde und konzipierte außerdem - zusammen mit Freunden und Bekannten - zahlreiche Wechselausstellungen zum Thema „Historischer Rennsport“. Besonders in Erinnerung geblieben ist dabei die Exposition „Rheinische Rennfahrer“, bei der in den Räumen des Museums persönliche Erinnerungsstücke von mehr als 50 Piloten aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen präsentiert wurden.
Nach Schließung des Museums im Dezember 2017 wurden sämtliche Ausstellungsstücke – inklusive des Nachlasses derer von Trips – nach Schloss Loersfeld in Kerpen, zum Nürburgring, auf die Wildenburg bei Hellenthal und in das Automobilmuseum „Prototyp“ nach Hamburg verlagert.