Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans (14. bis 15. Juni 1969)

2019 Jörg Thomas Födisch am Ford GT40 dem Siegerwagen des 24 Stunden Rennens von Le Mans 1969

In den 1960er-Jahren besuchte ich zahlreiche Langstreckenrennen am Nürburgring und im belgischen Spa-Francorchamps. Die berühmteste Veranstaltung dieser Art aber fehlte mir damals noch: Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Seit 1953 gehörte dieser Lauf zur Sportwagen-Weltmeisterschaft und wurde meist zum Saisonhöhepunkt. Der 24-Stunden-Klassiker im Nordwesten Frankreichs war damals der Traum eines jeden Rennsportfans. Auch deshalb, weil zu jener Zeit immer auch mehrere Werksrennställe mit Formel-1-Piloten teilnahmen.

Zu den „24 Heures du Mans“ kamen stets wesentlich mehr Zuschauer als zu anderen Sportwagen-Läufen. Auf dem französischen Traditionskurs zählte man jährlich die höchsten Besucherzahlen – 300.000 bis 400.000. Das 24-Stunden-Rennen wird seit der Premiere 1923 vom Automobile Club de l'Ouest (A.C.O.) ausgetragen. Am Anfang betrug die Rundenlänge 17,3 Kilometer. Ab 1932 wurde der 24-Stunden-Marathon auf dem etwa 13,5 Kilometer langen „Circuit des 24 Heures“ südlich der Stadt durchgeführt. Außerhalb der Rennveranstaltungen werden die einzelnen Abschnitte der Langstrecke als Landstraßen genutzt.

 

Nach gründlicher Planung startete ich gemeinsam mit Freunden am 11. Juni 1969 nach Le Mans. Allein die Fahrt von Heimerzheim in den Nordwesten Frankreichs war damals beschwerlich: nur knapp 200 Kilometer Autobahn, aber rund 600 Kilometer Landstraßen, unter der Haube lediglich 60 PS, keine Strecken- und Ortskenntnisse, dabei nur eine Landkarten, keine französischen Sprachkenntnisse, vor Ort hatten Einheimische für uns Zimmer und Karten reserviert …

Le Mans, eine Stadt mit rund 150.000 Einwohnern, liegt am Zusammenfluss von Sarthe und Huisne und ist Mittelpunkt des Départements Sarthe in der Region Pays de la Loire. Am Zielort angekommen, wurden wir kurze Zeit später durch eines der spannendsten 24-Stunden-Rennen in der Geschichte des Motorsports für die Reisestrapazen „entschädigt“. Ein kleiner Wermutstropfen war lediglich der zweite Platz des Porsche 908 mit Hans Herrmann und Gerard Larrousse, denn bis kurz vor Rennende schien der Gesamtsieg des deutsch-französischen Porsche-Teams gegen den Ford GT40 mit Jacky Ickx (Belgien) und Jackie Oliver (England) noch möglich. Die Erinnerung an diese 24 spannenden Stunden sind geblieben – und später sprach man immer wieder von einem Langstreckenrennen in Le Mans, das an Dramatik nicht mehr zu überbieten war.

Atmosphaere

Atmosphäre

Stommelen Elford Siffert und Porsche

Stommelen / Elford / Siffert und Porsche...

Seit jenem Jahr verbindet mich mit dem österreichischen Motorsport-Journalisten, Buchautor und Formel-1-Reporter Helmut Zwickl eine enge Freundschaft. Ich lernte ihn am Nürburgring kennen, und in den Jahren danach trafen wir uns immer wieder – meist bei Großen Preisen zur Automobil-Weltmeisterschaft auf den Rennstrecken Europas.

Helmut Zwickl begeisterte sich schon in den 1950er-Jahren für den Motorsport. Ab 1960 begann er darüber zu schreiben. In jenen Jahren lernte er auch den bekannten Sportfotografen Arthur Fenzlau († 1984) kennen und schrieb zu dessen Fotos die entsprechenden Artikel. Zwickl hat in 45 Jahren mehr als 550 Grands Prix persönlich erlebt. Er verfasste zahlreiche Rennsportbeiträge und veröffentlichte mehrere Bücher über die Formel 1 und die Sportwagen-Weltmeisterschaft. Seit 1993 organisiert er zusammen mit Michael Glöckner die Veranstaltung „Ennstal Classic“, eine Oldtimer-Rallye in Österreich für historische Automobile bis Baujahr 1972. Start- und Zielort der „Ennstal Classic“ ist Gröbming in der Steiermark. Im Jahr 2005 erhielt Zwickl als einer von nur fünf Motorsport-Journalisten weltweit eine lebenslange Akkreditierung für alle Grands-Prix-Rennen.

Helmut Zwickl hat mich im Laufe unserer langjährigen Bekanntschaft immer wieder mit Informationen, Hintergrundgeschichten und auch Vorworten bei meinen Büchern, die ich zum Teil zusammen mit Co-Autoren verfasst habe, unterstützt. Für meine Homepage stellte er mir seine nachfolgende Reportage vom 24-Stunden-Rennen in Le Mans 1969, die er in seinem Buch „Weltmeister durch technischen K.O.“ veröffentlichte, zur Verfügung. Dafür danke ich ihm recht herzlich!


Start LeMans 1969

Der Start: Stommelen (Porsche 917) vor Siffert (Porsche 908) und Elford (Porsche 917).

Das Fünfviertelstunden-Rennen
von Le Mans 1969 (Helmut Zwickl)

Drei Tage nach dem 1000-km-Rennen am Nürburgring fasste man bei Porsche den Entschluss, im französischen Le Mans zu starten, obwohl man bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen CSI-Bescheid in Händen hatte, der klar zu den beweglichen Heckklappen Stellung nahm. Firmenchef Ferry Porsche beschnitt die Zahl der Le Mans-Wagen jedoch auf fünf.

In dem kleinen Bauerndorf Teloche, etwa acht Kilometer von der Le Mans-Strecke entfernt, wurden dennoch acht Fahrzeuge aus den Transportern gehievt: Vier 917 (einer davon war bereits Eigentum des vermögenden britischen Hobby-Rennfahrers John Woolfe), drei 908-Langheck-Prototypen und ein brandneuer 908-Stromlinien-Spyder. Der für Mitter-Schütz bestimmte Langheck-908 trug die Erzeugungsnummer 30. Mit den Materialkosten von 200.000 Mark multipliziert ergibt das einen Sechs-Millionen-Aufwand, allein für das Kontingent an 3-Liter-908-Coupés, wobei aber die ersten 20 Wagen für die Rennsaison 1968 gebaut wurden.

Ingenieur Ferry Piëch, der mit Gattin Corena neben der gemieteten Werkstatt in Teloche ein Privatquartier bezogen hatte, gab zu bedenken: „Mehr als die WM kann man nicht erreichen. Wir können hier nur verlieren. Was uns schaden würde, wäre ein Unfall. Nach den ständigen Erfolgsmeldungen über uns käme der Presse ein Unfall nicht ungelegen.“ Bei der technischen Abnahme gaben sich die in Ehren ergrauten technischen Kommissäre von Le Mans arge Blößen. So wollten sie einen Koffer in den Porsche 908 hineinstopfen, obwohl Kofferräume im Prototypen-Reglement von 1969 nicht mehr vorgeschrieben sind.

Bei brütender Hitze begann am Mittwochnachmittag um halb fünf Uhr das Training. Während die Ferrari-Piloten untätig auf ihre beiden 312P-Coupés warteten, stand die acht Wagen starke Porsche-Armada vor den Boxen aufgepflanzt. Sicher war im Augenblick, dass Elford und Attwood sowie Stommelen und Ahrens den 917 fahren sollten. Hans Herrmann gab man Gerard Larrousse zum Copiloten; nach dem Vortraining im April plädierte Hans für einen 908.

Untätig standen Willy Kauhsen und Rudi Lins herum. Sie waren als Ersatzfahrer gemeldet und machten sich keine echten Hoffnungen auf einen Start, zumal eben nur fünf Wagen eingesetzt werden sollten. Während Rolf Stommelen an dem 917 experimentierte, die Stellung der Heckklappen dauernd variierte, Siffert vom Langheck-908 in den Spyder stieg, der Mitter-Schütz-Wagen einen Kupplungsdefekt erlitt, sollte Kurt Ahrens im privaten 917 von John Woolfe herumfahren.

Stommelen Porsche 917 vor Siffert Porsche 908 und Elford Porsche 917

Stommelen (Porsche 917) vor Siffert (Porsche 908) und Elford (Porsche 917).

HDI 44227

Hans Herrmann (Porsche_908L) wird_Zweiter.

Ahrens drehte drei Runden, die dritte trotz Zündstörungen, in 3.36,4. Diese Zeit sollte die neuntschnellste Trainingszeit bleiben, und für John Woolfe das Sprungbrett in die letzte Runde seines Lebens werden. Zum ersten Mal stieg der 37-jährige Woolfe an diesem Donnerstag in sein 140.000 DM-Juwel. Als er zurückkam, war der Motor überdreht. Auf 9400 Touren. Verschaltet, bedauerte er.

Gegen 19.45 Uhr stand ich in dem Rechtsknick der Hunaudières-Geraden. Die neu errichteten Leitschienen begannen zu vibrieren, als die großen Brummer das 5-km-Asphaltband unter sich wegsaugten: Die Ford GT40 von John Wyer, die wie auf Schienen durch diesen Knick stachen, knapp über 300 km/h schnell, der rote Lola von Jo Bonnier, der sich von weither durch sein hämmerndes Motorengeräusch ankündigte, die beiden Werks-Ferrari, die noch nicht voll fahren konnten, weil ihre Heckspoiler noch nicht passten, die blauen schmalspurigen 3-Liter-Renault-Alpine mit ihren sägenden Achtzylinder-Motoren, und schließlich der Porsche 917, der seit dem Nürburgring eine Vorderachse mit geänderter Kinematik besaß, die beim Ein- und Ausfedern der Räder eine bessere Bodenhaftung bewirkte.

Diesem gewaltig orgelnden Zwölfzylinder hatte der Computer für die 13,49 km Strecke eine Rundenzeit von 3.25,76 vorgerechnet. Das Elektronengehirn setzte die Geschwindigkeit für besagten Rechtsknick in der langen Geraden mit 319 km/h fest und überließ es dem Mut des Fahrers, diesen Wert noch zu erhöhen – wenn er es wagte, sich bis zur optimalen Querbeschleunigung des 917 vorzutasten. Bei diesem Tempo ein unerhörter Balanceakt. Stommelen sagte: „Vollgas kann man nicht stehen lassen, man muss ein wenig lupfen.“

Stommelen „korrigierte“ den Computer, als ihm um 19.45 Uhr mit 3.22,9 eine Rundenzeit gelang, die mit 238,970 km/h Schnitt für den Le Mans-Kurs alle bisherigen Maßstäbe verschob. Stommelen memorierte: „Es wurde plötzlich ganz unheimlich still im Cockpit. Auf der Geraden kletterte der Drehzahlmesser im 5. Gang auf 8200 Touren.“ Laut Diagramm sind das 340 km/h. Dazu müsste man noch die unbekannte Größe des sogenannten „Aufgehens“ der Reifen addieren. Die 331 km/h Spitze, die für den Stommelen-Wagen bei Posten 44 vom Veranstalter offiziell gestoppt wurden, erscheinen den Porsche-Technikern zu niedrig.

ElfordAhrens Porsche 917 führen 20 Stunden

Elford/Ahrens (Porsche 917) führen 20 Stunden ...

 dann scheiden sie mit Kupplungsdefekt aus

... dann scheiden sie mit Kupplungsdefekt aus.

350 bis 355 km/h müsste stimmen, sagen sie. 3.23,6 hieß der Rundenrekord von Denny Hulme, im Jahre 1967 aufgestellt, in einem 7-Liter Ford Mk IV-Prototyp. Inzwischen hat man aber auf der Zielgeraden mit Ford-Geldern eine Kurve eingebaut, eine sogenannte Schikane, die kaum mehr als 115 km/h verträgt, alle Wagen in die untersten Gänge zwingt und die Rundenzeit gegenüber 1967 um etwa 10 Sekunden verlängert. Trotz Schikane war Stommelen um sieben Zehntel schneller als zwei Jahre vorher der Ford ohne Schikane. Dabei wurde diese Schikane gesetzt, um nicht nur das Tempo auf der Zielgeraden vor den Boxen und Tribünen zu reduzieren, sondern auch, um den Rundenschnitt zu senken. Ein Trugschluss – wie vieles, was manche ergrauten, gesetzgebenden Funktionäre im Autorennsport ersinnen.

Während der abendlichen Trainingsfahrten kristallisierte sich heraus, dass die 917 mit beweglichen Heckklappen (mechanisch über die Radaufhängung gesteuert) weitaus richtungsstabiler beim Geradeausfahren waren, und auch in den schnellen Kurven deutlich satter lagen und dem Fahrer mehr Sicherheit gaben als mit arretierten Heckklappen, wie es dem CSI-Flügel-Bann entsprochen hätte.

In einem Kommuniqué wurde das von den Porsche-Fahrern festgehalten. Auch der Veranstalter hatte sich überzeugt, dass aerodynamische Hilfsmittel in dieser Form einen wertvollen Beitrag zur Sicherheit darstellen. Man befürwortete diese Konstruktion umso mehr, als Porsche verlauten ließ, man werde nicht starten, wenn dieses Klappensystem tatsächlich nicht zugelassen werden sollte. Inwieweit Porsche diese Drohung verwirklicht hätte, bleibe dahingestellt. Die CSI sah sich jedenfalls gezwungen, das in Monte Carlo unter Panik ausgesprochene generelle Flügel-Verbot einer Revision zu unterziehen und für Le Mans eine Sondergenehmigung auszutüfteln.

Die Bestzeitenjagd des Mittwoch-Trainings trugen die Porsche unter sich aus. Hinter Stommelen drehte Elford in einem 917 mit 3.28,3 die zweitschnellste Runde: Schnitt 232,78 km/h. Siffert fuhr mit dem offenen Spyder 3.32,3, Udo Schütz im gleichen Wagen 3.33,8, Hans Herrmann im Langheck-908 3.35,6. Blond-Beatle Johnny Servoz-Gavin drehte die schnellste Matra-Runde in 3.36,4.

Ickx Oliver vierter Gesamtsieg für Ford in Le Mans nach 1966

Ickx/Oliver - vierter Gesamtsieg für Ford in Le Mans nach 1966.

Helmut Kelleners Reinhold Joest Porsche GT40

Helmut Kelleners/Reinhold Joest (Porsche GT40).

Monatelang hatte sich Matra auf Le Mans konzentriert. Der Name „Matra“ steht für Mecanique, Aviation et Traction. Ein Unternehmen, das 1941 gegründet wurde und sich mit dem Bau von Raketenstartrampen, ferngesteuerten Raketen und Weltraumsatelliten befasst, eine Expansion zum Industriekonzern hinter sich hat, Weltraumforschung betreibt, hochklassige elektronische Geräte herstellt und für die französische Regierung und andere Länder Rüstungsaufträge ausführt. Rund 80 Leute sind in der Matra-Rennabteilung beschäftigt. Die Zusammenarbeit mit den Flugzeugtechnikern ist sehr eng, die Eigenentwicklung für den Rennsport profitiert von den unbegrenzten technischen und finanziellen Möglichkeiten des Konzerns.

Nach dem ersten Trainingstag in Le Mans aber wurde klar: Zugunsten der Standfestigkeit war die Motorleistung des V 12-Zylinder-Triebwerkes etwas reduziert worden. Die Zeiten aus dem April-Vortraining konnten nicht mehr erreicht werden. Was Matra an Schnelligkeit einbüßte, hatte Porsche mit dem 3-Liter an Schnelligkeit gewonnen. Offenbar reduziert war auch die Motorleistung der Ferrari, denn Pedro Rodriguez sagte zu Peter Schetty: „Der Motor scheint mir nicht so stark wie in Monza zu sein!“ Ferrari wollte diese reduzierte Leistung auf anderer Ebene einbringen. Durch eine Senkung des Benzinverbrauches um fast neun Prozent erhöhte sich die Reichweite der Wagen.

Der Himmel war wolkenlos und die Luft flimmerte über den Föhrenwäldern, durch die das breite Asphaltband der Le Mans-Piste verläuft, als Donnerstag um 18 Uhr das Abschlusstraining begann. Ingenieur Piëch war überzeugt, Stommelen würde diesmal hart an 3.20 herankommen. Rolf versuchte alles, um seine Traumrunde vom Vortag zu unterbieten. Als ihm dies nicht gelang, begann er, die ganze Einstellung der Heckklappen umzustoßen. Am Schluss war alles verstellt, aber die Zeit vom Vortag konnte nicht einmal erreicht, geschweige denn unterboten werden. Die hohen Geschwindigkeiten warfen an den 917 erstmals Reifenprobleme auf.

Kurt Ahrens erschreckte auf der Geraden „trotz Windstille ein Seitenwind, der den Wagen fast von der Straße wehte“. In Wirklichkeit drohte eine Protektor-Ablösung am linken Vorderrad den 917 von der Straße zu wehen. Wenig später passierte das Gleiche am Elford-917: links vorne lösten sich Gummistücke vom Dunlop-Reifen.

Siffert Redman Porsche 9082L Ausfall nach 60 Runden

Siffert/Redman (Porsche 908/2L - Ausfall nach 60 Runden.

Beste Trainingszeit für Stommelen Porsche 917L

Beste Trainingszeit für Stommelen (Porsche_917L).

Die Reifen-Spezialisten empfahlen einen breiteren Reifen bei Elford und einen höheren Druck für Stommelen-Ahrens. Das war aber noch lange kein Garantieschein für die leicht beunruhigten Fahrer. Seit dem Firestone-Reifen-Debakel im 1000-km-Rennen von Monza ließ Porsche gerade den 917-Piloten freie Reifenwahl.

Sowohl bei der kurzen Vorstellung in Spa als auch am Ring blieb der weiße Riese Dunlop-bereift, Sicherheit ging vor Schnelligkeit. Auch für Le Mans ließ man Dunlop-Reifen aufziehen, obwohl sich inzwischen am Rollenprüfstand in Stuttgart zeigte, dass der Dunlop-Reifen nach zwei Minuten Tempo 350 km/h Gummistücke verlor, der Firestone hingegen heil blieb. Hätten die 917-Fahrer das gewusst, hätten sie in Le Mans sicherlich für Firestone plädiert. Doch Porsches technische Leitung wollte Dunlop anscheinend nicht ganz ausbooten. Es gab zwar keinen Vertrag, der dies verhindern hätte können, für geleistete Spezialentwicklungen aber fühlte man sich in Zuffenhausen zu Dank verpflichtet.

Ein bemerkenswerter Vorfall ereignete sich um den privaten Porsche 917 des Briten John Woolfe. Sein Copilot Digby Martland, ein britischer Rennfahrer, der bloß über Kleinkaliber-Erfahrung mit einem 2-Liter Chevron-BMW verfügte, stieg nach einer Runde aus. Ganz verängstigt erklärte er, was andere vielleicht verschwiegen hätten: „lch beherrsche diesen 917 nicht. Er ist mir zu schnell.“ Woolfe sah sich ohne Co-Driver, Porsche half aus: man gab ihm Herbert Linge als Partner, den rennfahrenden Obermeister aus der Versuchsabteilung, den Duz-Freund einer ganzen Generation von Porsche-Rennautos.

Dass Donnerstagabend auch Rudi Lins und Willy Kauhsen den Sturzhelm aufsetzten, bedeutete den Einsatz eines sechsten Werks-Porsche. Piëch korrigierte lächelnden Gesichtes: „Es sind trotzdem nur fünf. Der Siffert-Redman Spyder läuft unter dem Hart-Ski-Racing-Team.“ Lins fuhr nur drei Runden, die dritte bereits in 3.42 Minuten, Kauhsen fuhr 3.41 in seiner vierten Runde. Die 14 Kilometer neu errichteten Leitschienen bewährten sich erstmals, als ein Ferrari-Dino am Ende der Hunaudières-Geraden von der Straße abkam. Fahrer wie Lucky Casner, Robby Weber und Lucien Bianchi hatten in Le Mans sterben müssen, ehe man sich endlich entschloss, die Gerade durch Leitschienen zu entschärfen. Bisher waren die Wagen in den Wald geflogen.

Rudi Lins Willi Kauhsen Porsche 908L

Rudi Lins/Willi Kauhsen (Porsche 908L).

Herrmann Larrousse Porsche 908L vor dem Ford GT40 von Kelleners Jöst

Herrmann/Larrouss (Porsche 908L) vor dem Ford GT40 von Kelleners/Jöst.

Um 22 Uhr beendete die karierte Flagge das Training. Die Scheinwerfer auf der Zielgeraden gingen aus. Die Menschenmassen zerflossen. Laut Veranstalter waren diesmal an den beiden Trainingstagen um 15 Prozent mehr Zuschauer gekommen als zur Zeit der großen Ford-Einsätze in den Jahren 1966 und 1967. Aus den Boxen verschwand der ganze technische Kram. Die Sportwagen und Prototypen wurden auf die Transporter geladen oder in die Garagen gefahren.

Bei den Klängen einer bayrischen Trachtenkapelle tafelten die Porsche-Monteure in einem riesigen Bierzelt, in dem es nach Bratwurst und Sauerkraut roch. Am Vorabend des 24-Stunden-Rennens versammelten sich die Porsche-Werksfahrer im Hauptquartier von Teloche zur letzten Einsatzbesprechung. Man gruppierte sich zwanglos in einem Garten um eine 30 Jahre alte Renault-Limousine, die, an einer Garagenmauer gelehnt, ihren Lebensabend verrostet.

Piëch ermahnte die 917-Piloten, schonend mit der Kupplung umzugehen. Eine Stunde vorher nämlich traf aus Stuttgart die telefonische Nachricht von der Achillesferse des „weißen Riesen“ ein: Der Belag jener Borg & Beck-Kupplung, die selbst das Drehmoment des 7-Liter Ford-Prototyp verkraftete, resignierte nach drei Prüfstand-Stunden im 917. Das hieß: nochmals Motoren ausbauen und Kupplung wechseln. Keine Freudenbotschaft für die Monteure. Der Schlachtplan war einfach wie immer: es sollte nach so genannten Richtzeiten gefahren werden. Für die 917-Fahrer galt die Trainingszeit plus 10 Sekunden, für die 908-Leute eine Trainingszeit plus 5 Sekunden. Rico Steinemann übersetzte für die Englisch sprechenden Fahrer.

Der Tourist, der sich, im Hintergrund stehend, Porsches „Bettgeflüster“ unter freiem Himmel nicht entgehen ließ, war niemand anderer als Huschke von Hanstein. Sicher hätte er mich aus dem Garten hinauskomplimentiert, wenn er noch in Amt und Würden gewesen wäre, doch Porsches „Bettgeflüster“ war gar nicht so intim, wie man vermuten würde. Da wurde sachlich alles noch einmal durchgekaut.

Die Signalisation ROT heißt langsamer, GRÜN heißt schneller, das Reglement wurde den Fahrern in Erinnerung gerufen und man sagte ihnen, welches Werkzeug im Wagen liegt und was sie tun könnten, falls der Fall X eintrete. „Noch welche Wünsche?“, fragte Steinemann abschließend. „Gebt jedem 10 Francs mit“, zeigte Kurt Ahrens wie in der Schule auf, „wenn wir auf der Strecke ausfallen“. Ingenieur Piëch: „Dieser Vorschuss ist gewährt.“

John Woolfe stand auch in diesem Garten, sein Sakko lässig über die Schulter gehängt. Muss Geld haben, dieser Woolfe, sagte man sich. Womit er sein Geld macht? Textilbranche, wusste Willy Kauhsen, ja, und dann ist er noch Direktor einer amerikanischen Nahrungsmittelfirma. In Twickenham kandidierte er einmal für die Liberalen. Geheiratet hatte er kürzlich auch. Ein vielseitiger, freundlicher Mensch. Herbert Linge macht ihm den Vorschlag: „Wenn Sie wollen, fange ich an“. Woolfe sagte: „Oh no, ich möchte gerne starten.“ Er war vom Porsche 917 fasziniert, trotz der Probleme und Ärgernisse an beiden Trainingstagen.

Auch David Yorke hielt in Abwesenheit von John Wyer für seine vier Fahrer eine Einsatzbesprechung in seinem Hauptquartier in Le Chartre ab. Es gab nicht viel zu sagen. Höchstdrehzahl für die guten alten Ford GT40 war, wie immer in Langstreckenrennen, 6000 Touren. Das waren 1000 Touren unter dem Limit. Damit war die Rundenzeit für lckx-Oliver und Hobbs-Hailwood abgesteckt. Man wusste aus dem Training, dass ein Porsche 908 je nach Fahrer bis zu acht Sekunden (Siffert im 628 kg wiegenden 365 PS-Spyder) schneller als der Ford GT40 (1025 kg mit ÖI und Wasser, ohne Sprit, 440 PS) um die 13-km-Piste fahren konnte und die beiden Ferrari (755 kg, 400 PS) ungefähr gleichschnell mit dem Gros der 908 waren, etwas langsamer bereits die Matra.

Jo Bonnier Masten Gregory Lola T70 Mk.IIIB Chevrolet

Jo Bonnier/Masten Gregory (Lola T70 Mk.IIIB Chevrolet).

Jean Pierre Beltoise Piers Courage Matra MS650

Jean-Pierre Beltoise/Piers Courage (Matra MS650).

Jo Siffert Porsche 908 vor Vic Elford Porsche 917

Jo Siffert (Porsche 908) vor Vic Elford (Porsche 917).

Teodoro Zeccoli Sam Posey Ricardo Rodríguez Cavazos Ferrari 250LM

Teodoro Zeccoli/Sam Posey/Ricardo Rodríguez-Cavazos (Ferrari 250LM).

Schneller als jeder andere Wagen aber konnten die beiden 917 fahren: Die 580 PS mussten hier ein Trockengewicht von 850 kg transportieren. Porsches einziger Sieg in Le Mans sollte der über die Internationale Sportkommission (CSJ) der FIA bleiben. Die „Urteilsverkündung“ – so Rico Steinemann – war ein Freibrief für die beweglichen Heckklappen am Porsche 917, in dem es hieß: in Anbetracht dessen, dass dieser Wagen mit diesen Klappen bereits als Sportwagen homologiert wurde, in Anbetracht dessen, dass Porsche die Werkswagen vom Start zurückzieht, was für die Veranstalter von großem Nachteil wäre, gerade wo man jetzt so große Investitionen zur Verbesserung der Streckensicherheit getätigt habe, und in Anbetracht dessen, dass die Konkurrenz von etwaigen Protesten Abstand nimmt und Porsche sich bereit erklärt, die Luftklappen am 908 als Spoiler starr zu fixieren, darf der 917 mit beweglichen Heckklappen in Le Mans starten.

Eine halbe Million Menschen strömt am Renntag in die Föhrenwälder, zu Fuß, per Auto, per Eisenbahn, per Anhalter kommen sie, aus ganz Europa pilgern sie heran, campieren, beschlagnahmen alle Hotels, übernachten unter freiem Himmel, Gitarre zupfend, Feuer anfachend, Konservenbüchsen und Bierflaschen öffnend, mit ihren Mädchen balgen sie sich im Sand, und jemand sagte einmal, dass ein nicht zu unterschätzender Promillesatz der französischen Nation in Le Mans gezeugt wurde, während dieser staubigen Weekend-Gartenparty um ein 24-Stunden-Rennen.

Auf der Zielgeraden stehen die Wagen, Seite an Seite nach ihren Trainingszeiten für den Le Mans-Start ausgerichtet. Die Fahrer sind recht gesprächig, überraschend mitteilsam. Vic Elford sagt: „Du kannst dir nicht vorstellen, welche Kräfte man mobilisieren muss, um diesen Porsche 917 insgesamt 20 Runden lang auszuführen.“ Und Jean Claude Killy, der einstige Jim Clark der Skipisten, behauptet: „Vor so einem Autorennen bin ich völlig entspannt. Es geht doch über 24 Stunden. Vor einem Ski-Rennen war das anders. Da muss man aufgeregt und angespannt sein, um in den paar Sekunden, die das Rennen dauert, förmlich explodieren zu können.“ Killy fährt einen 1500 ccm Renault Alpine.

Ingenieur Bott ermahnt Stommelen und Elford: „Schont die Kupplung.“ Sie nicken und haben es im nächsten Augenblick schon wieder vergessen. „Schont die Bremsen, ihr seid dann immer noch schnell genug, um vorne wegzufahren.“ Sie nicken mechanisch.

Ferrari Team-Manager Franco Ghozzi öffnet ein Telegramm, dessen Absender Enzo Ferrari heißt. Der Commendatore versichert, man werde zwar gegen die letzte CSI-Entscheidung, die Porsches bewegliche Heckklappen legalisierte, keinen Protest einlegen, doch in Zukunft möchte die CSI Sorge tragen, dass die von ihr einmal gefassten Beschlüsse auch eingehalten werden. Sonst werde sich Ferrari vom Rennsport zurückziehen.

Chris Amon lässt die Sicherheitsgurte mit Gummibändern aufhängen, einem Korsett gleich, in das er beim Le Mans-Start leicht hineingleiten kann. Vier Porsche stehen in Front: Stommelen, Elford, Siffert und Rudi Lins werden zu ihren Wagen spurten, dem Lins-Kauhsen-908 verhalf Siffert zur viertschnellsten Trainingszeit. Daneben duckt sich das rote Ferrari 312P-Coupé, in das Pedro Rodriguez springen wird, daneben steht der Herrmann-908, es folgt der Amon-Ferrari, dann ein 908, den Udo Schütz zünden wird, und der nächste Wagen gehört John Woolfe. Er sagt noch zu Herbert Linge: „Ich werde versuchen, wenigstens mit den 3-Liter-Porsches Schritt zu halten.“ Eine wahnwitzige Idee.

Als um Punkt 14 Uhr die Flagge fällt, die Zielgerade eine einzige Schlucht aus Menschen ist, spurten alle Fahrer so schnell sie können zu ihrem Wagen. Nur Jacky Ickx geht gemächlich über die Bahn, sein persönlicher Protest gegen den Le Mans-Start. Stommelen nutzt die Pole-Position, er findet sich als Erster in der Dunlop-Kurve.

Elford Ahrens Porsche 917 Kupplungsprobleme nach 20 Stunden

Elford/Ahrens (Porsche 917), Kupplungsprobleme nach 20 Stunden.

Le Mans der Rennsportklassiker seit 1923

Le Mans - der Rennsportklassiker seit 1923.

Auch Reifen entscheiden über Sieg und Niederlage

Auch Reifen entscheiden über Sieg und Niederlage.

Auch Woolfe kommt gut weg. Er will gleich in der Startrunde Zeit gewinnen und verliert dabei sein Leben. Ausgangs der schnellen S-Kurve von Maison Blanche, die von der Weltklasse mit 240 durchstochen wird, knallt der 917 gegen die Faschinen, weil er schon eingangs zu schnell war. Unter einer Explosion zerreißt es den Wagen in zwei Hälften. Der Motorraum wird abgesprengt. Der nachfolgende Chris Amon-Ferrari torpediert einen auf der Straße liegenden Benzintank. Hunderttausende Menschen sehen plötzlich die schwarze Rauchsäule in den bleiernen Nachmittagshimmel steigen.

Einer der letzten, die durch Maison Blanche kamen, bevor es geschah, war Rudi Lins. „Als ich die Ford-Schikane anbremste, sah ich, wie die Menschen alle entgegen meiner Fahrtrichtung zeigten, ich wusste, jetzt ist hinter mir etwas Furchtbares geschehen!“ Rolf Stommelen, der Spitzenreiter, kam in der zweiten Runde als Erster zur Unfallstelle. Lange vorher wurde er durch Flaggenposten gewarnt. „Ich musste in den ersten Gang, Wrackteile lagen auf der Straße, überzuckert vom weißen Löschschaum.“ Udo Schlitz erinnerte sich „an ein Inferno aus Öl, Dampf, Feuer und aufgeregten Menschen“. Lins sah den Ferrari noch brennen. John Woolfe wurde bereits als toter Mann von einem Helikopter ins Hospital gebracht. Als Woolfe einmal in Snetterton mit seinem Cobra ein kleines Clubrennen gewann und ein Konkurrent, den er kaum kannte, seinen Wagen völlig demolierte, sammelte Woolfe, den Cobra langsam durch das Publikum fahrend, mit seinem Sturzhelm eine Kollekte für diesen Mann. Chris Amon kam erregt an die Box. Er war aschfahl im Gesicht, seine Augen tränten von Rauch, Benzindampf und kleinen Metallsplittern, und er wirkte so verstört, als hätte er gerade eine Bergwerkskatastrophe überlebt. Nervös umringten ihn die Ferrari-Leute, alles andere wegdrängend. Später sagte mir Chris: „Ich hatte keine Brille auf. Deshalb wurden mir die Augenbrauen versengt!“

Der Unfall von John Woolfe warf die Frage auf, ob man so anspruchsvolle Wagen wie einen Porsche 917 an Amateur-Rennfahrer verkaufen darf. Woolfe verfügte zwar über Erfahrungen mit großen Wagen, die er in einem 7-Liter-Cobra, Ford GT40 und Chevron-Repco sammelte, doch er hatte keine Gelegenheit, sich mit dem Porsche 917 in Le Mans anzufreunden.

Einer klaren Antwort auf die Frage sollte man jedoch folgende Tatsachen vorwegnehmen: Die Werke werden durch das CSI-Reglement gezwungen: a) einen 5-Liter-Sportwagen zu bauen, die Gewinnchancen sind wesentlich größer als mit einem 3-Liter-Prototyp, b) eine betriebsfertige 25-Stück-Serie aufzulegen, was mit horrenden Investitionen verbunden ist, c) diese Investitionen durch den Abverkauf wieder einzuspielen. Wenn nun Porsche von den 25 gebauten 917 zehn für den Verkauf freigibt, und Ferrari einen 5-Liter 12-Zylinder auflegt, von dem, sagen wir 15 Exemplare verkauft werden und jetzt auch Lola und McLaren Sportwagen erzeugen, so ist das Angebot an solchen 140.000 bis 170.000 DM teuren Rennsportwagen größer als das Kontingent an Klassefahrern, die einen solchen Boliden beherrschen. Denn: Wenn man die Grands Prix- und Langstrecken-Werkselite ausklammert, verbleiben nicht mehr so viele Fahrer, die mit solchen großvolumigen Geschossen umgehen können. Die Werke müssen aber verkaufen. Sie verkaufen dem, der bar bezahlt, wobei sie einem John Woolfe immer noch lieber ein Auto geben als etwa einem Herbert von Karajan, denn letzten Endes wurde der Wagen für die Rennstrecke gebaut und nicht zum Renommieren. Für so viel Geld bleibt es jedem dann selbst überlassen, ob er gewinnt oder sich umbringt.

Vic Elford Porsche 917L

Vic Elford (Porsche 917L).

Pedro Rodriguez David Piper Ferrari 312P

Pedro Rodriguez/David Piper (Ferrari 312P).

Beunruhigend hingegen ist die Starterliste von Le Mans: Man stößt auf viele unqualifizierte Leute, die nur deswegen einen Startplatz bekommen, weil sie es sich leisten können, irgend ein interessantes Auto zu fahren. Deshalb müsste die Frage lauten: Welche Maßstäbe soll man anlegen, damit unerfahrene Leute auf superschnellen Wagen nicht in einem 24-Stunden-Rennen von Le Mans starten dürfen? Die Antwort müsste dann lauten: „Endlich ein Sonntag ohne Rennen.“

Bereits um 19.37 Uhr musste Kurt Ahrens feststellen, dass die Kupplung des 917 in ihren letzten Zügen lag. Ahrens: „Der Rolf hat vom Start weg reingehauen als wäre das ein Flugplatzrennen!“ Zur gleichen Zeit parkte der Herrmann-Larrousse-908 wegen eines Defektes, der seit Zeltweg 1968 nicht mehr auftrat, an der Box: ein Radlager musste ausgewechselt werden. 39 Minuten stand dieser Wagen still – und am Schluss fehlten ihm nur 3 Sekunden zum Sieg. Um 20.23 Uhr wurde die Kupplung am Stommelen-Ahrens-917 nachgestellt. Zum letzten Mal, hieß es. Wenig später hielt Rico Steinemann einen schriftlichen Protest gegen diesen Wagen in Händen, der auf Grund der Ölfahne formuliert wurde, die der Konkurrenz die Windschutzscheiben verdunkelte.

Nach zehn Stunden, um Mitternacht, führten Elford-Attwood im 917 mit 161 Runden vor Mitter-Schütz mit 158 Runden und Lins-Kauhsen mit 157 Runden. Drei Runden zurück lag der Matra von Beltoise-Courage, eine Runde zurück hielt sich der lckx-Oliver-Ford. Der Schnitt betrug 217 km/h.

Nebelschwaden zogen auf und wanderten über die Strecke. Man sah das deutlich an den Rundenzeiten. Auf einmal fuhr niemand mehr unter 4 Minuten. Gerhard Mitter bestellte im Porsche-Bus bei Corena Piëch ein saftiges Steak. Die zwei mal 22 Runden Nachtschicht „und dazu der Nebel“ hat ihn sichtlich ausgelaugt. Jeder Fahrer ist nach zwei solcher Schichten leicht groggy. Elford steigt jedesmal aus dem 917, als hätte er in der Tour de France bei glühender Hitze eine Pyrenäen-Etappe gewonnen. Im 917-Cockpit soll es heißer werden als in der Käseglocke des 908. Kurt Ahrens hat sich für seine Schuhe Sohlen aus Asbest zugeschnitten, denn die Pedalerie heizt sich nach wenigen Runden wie ein Bügeleisen auf. Meditiert Mitter, während er das Steak zerkaut: „24 Stunden sind entschieden zu lang.“

André Wicky Porsche 911 T vor John Woolfe Porsche 917

André Wicky (Porsche 911 T) vor John Woolfe (Porsche 917).

Übermächtig Porsche 917 Triebwerk

Übermächtig: Porsche 917-Triebwerk.

Kritikpunkt bewegliche Heckklappe am Porsche 917

Kritikpunkt: bewegliche Heckklappe am Porsche 917.

Und Mitter weiter: „Man ertappt sich zeitweise bei Konzentrationsfehlern, im Anbremsen der Kurven ist man nicht mehr so hellwach. Und man verlernt das Autofahren bei solchen Langstreckenrennen, denn man kann ja nie am Limit fahren, wie bei einem Formel-Rennen!“ Seit 23 Uhr wird am Stommelen-Ahrens-Wagen gearbeitet, die Kupplungsscheibe wird ausgewechselt. Erst um 1.48 Uhr kann Ahrens die Sicherheitsgurte wieder anlegen. Der Wagen liegt auf dem letzten Platz. „Wozu fahren wir überhaupt noch“, ärgert sich der Braunschweiger und rumpelt in die Nacht davon. Mitter schläft im Wohnwagen, als Ahrens um 2.48 Uhr an der Box erscheint und von einem brennenden Auto auf der Hunaudières-Geraden erzählt. „Wo?“ fragt man ihn. „In dem Rechtsknick“, sagt er. Schütz ist abgängig. Sollte Schütz in diesen Unfall verwickelt sein?

Masten Gregory kommt zu Fuß an die Box. Der Chevrolet-Motor von Bonnier's Lola hat nun endgültig, nach einer schwierigen Zylinderkopf-Operation, sein Leben ausgehaucht. Dann hat man Gewissheit: Es ist der Schütz-Porsche, der auf der Geraden drüben verbrannt ist. Fahrer unverletzt, heißt es. Ich wecke Gerhard Mitter auf. Er ist ganz schlaftrunken. Udo ist ok, sage ich ihm, und Gerhard verflucht dieses Le Mans. Gegen dreiviertel vier Uhr erscheint Udo Schütz im dunklen Gang hinter den Boxen. So also sieht ein Mann aus, dachte ich mir, der wie durch ein Wunder dem Tod entkam. Eine Beruhigungsspritze hatte den Schock gedämpft, mit irgendwelchen Tinkturen und Salben hatte man sein Gesicht behandelt. Udos Augen sind gläsern, sein Blick verliert sich an der Mauer. Einige Monteure stehen im Gang, Herbert Linge lehnt an der Wand. Udo Schütz erzählt, langsam, die Beruhigungsspritze hat diese böse Erinnerung eingeschläfert: „Larrousse fuhr vier Runden lang hinter mir. Ich dachte zuerst, du wärst das“, sagte er zu Hans Herrmann, der wie auf sein Stichwort hinzutritt. „Vor der schnellen Rechtskurve zieht der Wagen auf gleiche Höhe und ich sehe, dass Larrousse drin sitzt. Er fällt zurück und da bekomme ich einen Stoß.“ Schütz legt eine Pause ein, dann fährt er fort: „Mein Wagen prallt in spitzem Winkel gegen die Leitplanken, er beginnt Ping-Pong zu spielen, er überschlägt sich. Ich sehe Flammen. Ich trete die Tür ein. Ich war nicht angeschnallt. Dann bin ich rausgesprungen, in den Wald gelaufen, und hinter mir explodierte das Auto.“

Zehn Minuten später steht der Larrousse-Porsche zum Tanken an der Box. Man untersucht schnell den Wagen. Wenn er dem Schütz-Porsche einen Stoß verpasste, müsste man das sehen. Die Karosse ist schmutzig, doch nirgendwo ist sie beschädigt. Herrmann fährt weiter. Larrousse und Schütz gehen aufeinander zu, Schütz erzählt seine Version. Larrousse sagt: „So war das nicht. Ich lag deutlich hinter Dir, ich sah, wie du die Straße verlassen hast!“ Aussage gegen Aussage.

Um vier Uhr früh steigt Elford fürchterlich angespannt aus dem führenden 917. Er sagt nur ein einziges Wort, es ist auf den Wagen gemünzt: „perfect“. Elford-Attwood wiegen sich in einen Fünf-Runden-Vorsprung auf das österreichisch-deutsche Team Lins-Kauhsen, das wiederum drei Runden vor dem Hobbs-Hailwood-Ford liegt. Herrmann-Larrousse haben sich schon bis zum sechsten Platz hochgedient.

Seit geraumer Zeit steht der Stommelen-Ahrens-917 am Schrottplatz aller Le Mans-Hoffnungen: im Fahrerlager. Sonntag früh verliert Ferrari auch noch den Rodriguez-Piper-Wagen wegen Getriebeschadens. Zwischen vier und fünf Uhr früh tauchte er kurzfristig auf dem achten Platz auf. Die Scuderia Ferrari packt ihre Sachen zusammen. Die Monteure nehmen die kleinen Funkgeräte aus ihren Taschen, mit denen alle Leute des Teams untereinander in Verbindung standen. Öl-verschmiert wird der rote Ferrari auf dem Transporter verstaut. Der letzte Ferrari-Sieg in Le Mans liegt schon vier Jahre zurück. Jochen Rindt-Masten Gregory führten 1965 einen 275 LM des North American Racing Teams zum Sieg, nachdem alle Werks-Ferrari durch einen Materialfehler in den Bremsscheiben weggerafft worden waren.

Auf dem Weg zum 4. Gesamtsieg von Ford in Le Mans Ickx Oliver im GT 40

Auf dem Weg zum 4. Gesamtsieg von Ford in Le Mans: Ickx/Oliver im GT 40.

Claude Haldi Jacques Rey Ferrari 275 GTBC vor Jean Pierre Gaban Yves Deprez Porsche 911 S

Claude Haldi/Jacques Rey (Ferrari 275 GTB/C) vor Jean-Pierre Gaban/Yves Deprez (Porsche 911 S).

Jean Claude Killy Bob Wollek Alpine Renault Gordini

Jean-Claude Killy/Bob Wollek (Alpine Renault-Gordini).

Der Sonntagvormittag zieht sich dahin wie Honig. Jede halbe Stunde wird zur Stunde. Der einzige Spannungsmoment – wurde bei Dick Attwood die Motorhaube verschlossen? – erschöpft sich nach drei Runden. Sie ist verschlossen, sonst wäre sie schon weg geflogen. Die Uhren ticken, die Menschen an den Boxen gähnen übernächtigt. Man fröstelt, obwohl es gar nicht kalt ist.

Auf einmal überstürzen sich die Ereignisse. Das Ende der Kupplung am Elford-Attwood-917 kündigt sich akustisch beim Schalten an, da hört man, wie sie schleift, denn die Kupplungsglocke ist gebrochen. Attwood muss daher um 10.04 Uhr an die Box. Man versucht, sie nachzustellen. Attwood kann fast nicht mehr wegfahren. Diesen Wagen müssen wir also auch abschreiben, sagen die Gesichter der Porsche-Leute. Das würde bedeuten: Lins-Kauhsen übernehmen die Führung, was nur mehr eine Frage der Zeit ist, denn Attwood trägt den 917 bereits in 4:30 Minuten um den Kurs. Um 10.16 Uhr übergibt Lins an Kauhsen. Willy weiß, wie es augenblicklich um Porsche steht.

Er spürt die Verantwortung, die plötzlich auf ihm lastet. Insgeheim denkt er sich im schwachen Sonntagvormittag-Verkehr vielleicht auch schon aus, was er mit dem Batzen Geld anstellen könnte, falls er hier wirklich das Rennen – ach Blödsinn, noch ist vom Gewinnen keine Rede. Wie sagt der Bott immer? Solange gesungen wird, ist die Kirche noch nicht aus. An der Box freut sich Lins: „Jetzt geht auch der 3. Gang wieder zum Schalten.“ lckx-Oliver liegen vier Runden zurück. Unter normalen Umständen können sie diesen Rückstand nicht mehr aufholen. Die Umstände aber bleiben nicht normal: Kauhsen hält nach einer Runde wieder an. Schaltschwierigkeiten, lässt er betreten verlauten. „Das ist doch nicht möglich“, sagt Lins.

Um 10.31 Uhr klingelt das Telefon in der Porsche-Box, so ein alter brauner Holzkasten mit Drehkurbel, der heiße Draht zur Signal-Box auf der „Mulsanne“-Geraden. „Kauhsen steht“, meldet Ingenieur Falk und hängt den Hörer ein. Piëch und Bott blicken in die Rundentabelle. Herrmann liegt in der gleichen Runde wie der nun führende Ford von lckx-Oliver. Was haben wir noch zu verlieren? sagen sie. Dann geben sie Herrmann GRÜN. Als er aus der langsamen „Mulsanne“-Kurve heraus beschleunigt, sieht er diese bei Porsche relativ selten gebrauchte Aufforderung. Herrmann erhöht die Gangart. 3:39, 3:39, 3:42, 3:40 heißen seine Rundenzeiten, der Ford fährt 3:43, 3:45, 3:46. Was können wir mit dem 917 noch tun? fragen sich die Ingenieure von Porsche. Man überlegt. Vielleicht könnte man die Kupplung starr machen, sagt Piëch. Der Gedanke wird wieder verworfen.

Um 10.58 Uhr steigt Attwood endgültig aus. Elford ist ganz sprachlos geworden. Herrmanns Rückstand auf den Ford beträgt 175 Sekunden. Um 11.10 Uhr tankt der Ford, die John Wyer-Monteure in den orangefarbenen Gulf-Anzügen wechseln Bremsklötze, das dauert alles in allem fast 3 Minuten. An dem parkenden Ford vorbei geht Herrmann in Führung. Jacky lckx sitzt jetzt am Steuer des Ford, und Herrmann wird ein 47 Sekunden-Vorsprung angezeigt. Der Vorsprung bleibt gleich, doch um 11.27 Uhr musste Herrmann tanken. Wird man ihn weiterfahren lassen oder wird ihn Larrousse ablösen? Der Franzose hielt sich bisher prächtig, was man auf Grund seiner Trainingszeiten gar nicht vermutet hätte. Ist er dieser Nervenbelastung aber gewachsen? Also doch: Larrousse löst Herrmann ab; nach 47 Sekunden ist der Wagen wieder im Rennen. lckx allerdings liegt wieder in Führung. „Die paar Sekunden holt Larrousse auf“, sagt jemand.

Um 11.31 Uhr trennen Larrousse zehn Sekunden von Ickx. „Ob er jetzt den Wagen verheizt“, fragt eine Stimme. Offenbar ist Larrousse gemeint, und Hans Herrmann gibt zu bedenken, dass der Motor seit der letzten Nacht nur noch 7.800 anstelle 8.200 Touren auf der Geraden dreht. Um 12.09 Uhr, zwei Stunden vor Rennschluss, führt Ickx mit sechs Sekunden.

Ickx und Oliver gewinnen vor Herrmann und Larrousse

Ickx/Oliver gewinnen vor Herrmann/Larrousse.

Ickx Oliver die umjubelten Sieger

Ickx/Oliver die umjubelten Sieger.

Um 12.36 Uhr hängt Larrousse im Windschatten des Ford, in der nächsten Runde führt der Porsche, und lckx muss an die Box zum Tanken, was des Porsches Vorsprung auf 56 Sekunden erhöht. Allerdings: Für den Ford ist kein Tankstopp mehr vorgesehen, der Porsche aber muss noch ein weiteres Mal an die Box.

Reporter und Fotografen umzingeln die Porsche-Box. Das Gedränge wird immer heftiger. „Rico“, brüllt ein gewichtiger Reporter. Man liefert Steinemann den hungrigen Journalisten aus, damit sie sich nicht weiter in die Box hineindrängen. Steinemann improvisiert draußen eine Pressekonferenz in Englisch-Deutsch-Französisch. Die Hintertür der Box wird zugeriegelt. Ingenieur Falk hantiert mit dem Rechenschieber. Reicht der Sprit für den Endspurt? heißt die Frage.

Hans Herrmann lacht hintergründig. Er fährt jetzt zum 15. Mal in Le Mans, doch so einen Kampf bis aufs Messer hat er hier noch nie erlebt. Hans ist völlig ruhig, fast apathisch ruhig, als er den Sturzhelm aufsetzt. Bott organisiert den letzten Tankstopp. Jede Sekunde kann über Sieg und Niederlage entscheiden.

Um 12.42 Uhr bremst sich Larrousse ein. Der Sprit scheint wie Harz in den Tank zu träufeln. 30 Sekunden, 35 Sekunden sind um. Der Ford taucht unten in der Schikane auf. Herrmann springt ins Cockpit. Der Ford wird jetzt endlich voll ausgedreht, auf 6.500 und höher. Die Porsche-Tür schlägt zu. Der Schlauch wird aus dem Tank gerissen. Herrmann katapultiert sich weg, der Ford ist schon vorbei, Herrmann greift nach seinem Windschatten. Fatal am Anfang, faszinierend in den Abendstunden, aufreibend langatmig in der Nacht, dahinplätschernd am Vormittag – Le Mans zeigte uns alle seine Gesichter. Doch jetzt, die letzten Fünfviertelstunden, wird es das, was es um diese Zeit noch nie war: ein Rennen.

Das wohl dramatischste Finale in der Geschichte des 24-Stunden-Rennens nimmt seinen Anfang. Hollywoods Grand Prix-Filmschöpfer John Frankenheimer hätte die Regie führen können, für das Drehbuch wäre nur Alfred Hitchcock infrage gekommen. Das Duell, das in den letzten 78 des 1440 Minuten langen Rennens begann, war das Duell Ford gegen Porsche. Das Duell des jungen Draufgängers Jacky Ickx, der mich an das englische Sprichwort erinnert „Ein Rennfahrer wird besser und besser, bis er sich umbringt“, gegen einen Mann, der ein ganzes Grand Prix-Starterfeld überlebte: Hans Herrmann.

Diese 41-jährige Schwabe Hans Herrmann sieht sich 78 Minuten vor Schluss der 24 Stunden in Le Mans förmlich vergewaltigt, schneller als ihm lieb ist, zu fahren, um für Porsche wenigstens noch einen Pyrrhussieg zu retten. Millionen Europäer verfolgen am Bildschirm gebannt diesen Le Mans-Endspurt. Was sie nicht sehen können: Nach zwei Runden leuchtet am Armaturenbrett des Herrmann-Porsche das rote Brems-Warnlicht auf. „Das heißt“, so Herrmann, „man muss in den nächsten Runden unverzüglich an die Boxen, die Reibklötze sind am Ende“.

Herrmann aber fährt noch eine ganze letzte Stunde. Am Anfang der Geraden, im vierten und fünften Gang, kann er sich im Windschatten des Ford halten, dann sogar vorstoßen. Da der Motor aber 400 Touren unter seiner Höchstdrehzahl bleibt, zieht Jacky Ickx im letzten Teil der Geraden dem Porsche wieder davon. Herrmann wendet alle Tricks an, er probiert Dinge, die er seit seinen Jugendtagen nicht mehr probiert hat. „Gegen einen Mann, der so gut wie Ickx fährt, kann man solche Sachen versuchen, ohne dass sie zum Bumerang werden“, bemerkt Herrmann später. Seite an Seite stechen sie in die Kurven, auf der Geraden packen sie alle Windschatten-Schliche aus. Der Ford ist noch kerngesund, er wurde ja 23 Stunden lang verhältnismäßig geschont.

Boxenstopp von Herrmann Larrousse Porsche 908L

Boxenstopp von Herrmann / Larrousse (Porsche_908L).

IckxOliver fuhren dasselbe Fahrzeug mit dem Rodriguez und Bianchi 1968 gewonnen hatten

Ickx/Oliver fuhren dasselbe Fahrzeug, mit dem Rodriguez und Bianchi 1968 gewonnen hatten.

Deutsche Porsche Fans

Deutsche Porsche-Fans.

Um 13.10 Uhr – das könnte wieder ein Hitchcock-Einfall gewesen sein – lief das Tandem Ickx-Herrmann ausgerechnet auf den zweiten John Wyer-Ford auf, in dem Ickx' Stallgefährte Mike Hailwood saß. Ickx kam natürlich ohne Verzögerung vorbei, Herrmann musste sich anstellen. „Zwei Porsche gegen einen Ford hätten aus dieser Situation genauso Kapital geschlagen“, stellt Herrmann nach dem Rennen klar. Ickx droht vorne wegzufahren, als Herrmann plötzlich bemerkt, dass der Hailwood-Ford besser in Schuss ist als der von Ickx. So hängt er seinen Porsche in Hailwoods Windschatten, der den Motor des 908 wieder bis über 8000 Touren aufreißt. Hailwood führt Herrmann unbewusst wieder an Jacky Ickx heran. Aber Herrmanns Bremsen werden immer schlechter. „Schade“, sagt Rico Steinemann, „Siffert müsste jetzt gegen Ickx fahren“.

Zwölf Minuten vor Rennende führt Herrmann noch bei Start und Ziel. „Auf der Bremse konnte ich nichts mehr riskieren“, bedauerte er später. Das französische Publikum ist sehr anti-deutsch eingestellt. Man brauchte nur auf die Zuschauer zu sehen: herrschte Jubel, dann führte Ickx. Waren die Menschen starr und ruhig, so lag Herrmann vorne. Zum Schluss jubelten sie. Mit einem feuchten Fleck im Tank, aber mit drei Sekunden Vorsprung siegte Ickx. Dann schlossen sich die Wogen der Begeisterung über den paar Autos, die auf der Zielgeraden endlich ihre ausgemergelten Motoren abstellen konnten.


Marathon an der Sarthe –
das größte Rennen der Welt

Zusätzliche Hintergrundinformationen, Daten und Zahlen zum 24-Stunden-Rennen von Le Mans des Jahres 1969 stellte mir später auch Dieter Dehrberg, Fachjournalist und Korrespondent verschiedener Motorsport-Zeitschriften, zur Verfügung. Dafür auch ihm mein besonderer Dank!

Dehrberg schrieb in seinem Rennbericht über die 69er-Auflage des weltberühmten Langstrecken-Klassikers: „Während der Bankette, die den 24-Stunden-Rennen von Le Mans stets vorausgehen, hört man immer wieder, der Marathon an der Sarthe sei das größte Rennen der Welt. Das ist ein Schlagwort, das bewiesen werden muss, das ist eine Position, die verteidigt werden muss. Die ,Maschine Le Mans‘ hat aber immer noch Fehler. So lauten schon lange die Vorwürfe zahlreicher Fahrer, zu viele unerfahrene Piloten würden zugelassen.“

John Woolfe war – wie bereits Helmut Zwickl angedeutet hatte – einer von ihnen. Er hätte sich niemals auf diesem superschnellen und gefährlichen Rundkurs ans Steuer des schnellsten Rennwagens der Welt setzen dürfen. Das sagte auch Woolfe's Teamgefährte Digby Martland. Dazu Dehrberg: „Martland äußerte nach nur einer Trainingsrunde, dass der 917 viel zu schnell für Anfänger sei. Deshalb würde er darauf verzichten, ihn zu fahren. Die Bedenken seines Kollegen zerstreute Woolfe. Er bestand auf dem Start, obwohl auch er frühzeitig das Training beendete – Woolfe kam lediglich auf sechs Trainingsrunden.“

Weiter heißt es im Beitrag des Journalisten: „Viele andere Fahrer, die schnelle Wagen fahren, beklagten sich über zahlreiche überforderte Teilnehmer. Es geht dabei nicht so sehr um Höchstgeschwindigkeiten als vielmehr um das in den Kurven gefahrene Tempo. Dort wird der Unterschied zwischen einem Rennwagen und einem Fahrzeug, das man auch noch für den täglichen Gebrauch nutzen kann, besonders deutlich. Es ist aber auch das Prinzip der Gruppen, wie sie gemischt werden – und das ist infrage zu stellen. Wobei keine Marke speziell gemeint ist. Einige wollen nur Gran Tourisme-Wagen am Start der 24 Stunden sehen, aber das würde beim Publikum einigen Ärger hervorrufen. Ein anderes Argument zugunsten der GT: Größtenteils sind alle Autos jetzt ausgereift. Zudem sind sie solider als die Prototypen, ungefähr die Hälfte der Fahrzeuge hat das Rennen beendet.“

Jackie Oliver Jacky Ickx Ford GT40

Jackie Oliver - Jacky Ickx (Ford_GT40).

Zuschauermagnet Le Mans

Zuschauermagnet Le Mans.

Rolf Stommelen im Porsche 917 der Wunderwaffe aus Zuffenhausen

Rolf Stommelen im Porsche 917, der Wunderwaffe aus Zuffenhausen.

Vic Elford.

Vic Elford.

Dehrberg äußerte sich damals auch zur finanziellen Aspekten des französischen Langstreckenklassikers. Er kritisierte: „An dieser Stelle ist zu sagen, dass die ,24 Stunden‘ ein schlecht bezahltes Rennen sind – hier ist wenig Geld und viel Ruhm zu holen. Angesichts dieser Situation ist es normal, dass die wenigen, die kommen, abgesehen von den Konstrukteuren, zum Teil auch recht betuchte Anfänger sind, was nicht heißen soll, dass es immer die besten Fahrer sein müssen. Falls die Veranstalter tatsächlich die Siegerprämien erhöhen wollen, die zur Zeit lächerlich gering sind und weniger wichtige Rennen beantragen beziehungsweise organisieren, könnten eher Profis gewinnen, die erfahren sind und auch gut vorbereitete Wagen an den Start bringen.“

„Aber zurück zum Rennen selbst“, so der Fachjournalist, der erklärte: „Wir stellten diese Überlegungen nur deshalb an, weil es nahelag, dies zu sagen – der Langstrecken-Klassiker sorgte für enorme Schlagzeilen. Und: 1969 war ein Rennen unserer Generation, das in die Geschichtsbücher des Motorsports und in die Annalen von Le Mans eingehen wird.“

Sehen wir uns an, wie Dieter Dehrberg dieses „Sternstunden-Langstreckenrennen“ 1969 erlebt hat. Sein Bericht beschreibt auch heute noch eindrucksvoll (und zeitlos) die damalige Dramaturgie und Spannung in Le Mans. Dehrberg, der in den 1970er-Jahren unter anderem Chefredakteur der Zeitschrift „sport-auto“ (Vereinigte Motor-Verlage, Stuttgart) gewesen war: „Schon der Start brachte – wie erwartet – die totale Dominanz von Porsche. Aber nach und nach musste Zuffenhausen Federn lassen, und in der Final-Phase war nur noch ein Werkswagen der Stuttgarter in der Lage, den Rennausgang zu beeinflussen. Zu diesem Zeitpunkt lagen zwei Wagen vorn dicht beieinander: der Porsche 908 und ein Ford GT40. Theoretisch war der Porsche schneller, der Ford aber glich dieses Handicap durch den Weltklasse-Piloten Jacky lckx aus. Wer würde dieses Duell zwischen einem alten Wagen mit einem jungen Fahrer und einer neuen ,Maschine‘ in den Händen eines erfahrenen Fuchses für sich entscheiden?“

Diese Frage, so Dehrberg, sei bis zur letzten Sekunde offengeblieben. Ein Wimpernschlag-Finale! „Schließlich gewann Ford, aber der Sieg war hauptsächlich dem Ausnahmepiloten Jacky Ickx zu verdanken. Diese spannenden letzten Rennstunden ließen ein wenig die Leistungen der Matras vergessen. Von vier gestarteten Wagen kamen drei ins Ziel, das ausgefallene Auto hatte einen elektrischen Defekt, der nicht mehr repariert werden konnte. Die Renault Alpine hingegen enttäuschten. Drei Wagen mussten aufgeben bis auf ein Fahrzeug, das zum Trost seiner Anhänger einen Achtungserfolg errang. Die zwei Ferrari kamen nicht ins Ziel. Gewiss, es war nicht Amons Schuld, dass er wegen des Woolfe-Unfalls in der ersten Runde ausschied, aber der zweite 312P mit Pedro Rodriguez/David Piper gab in der 16. Stunde wegen Getriebeschaden auf, ohne jemals ins Renngeschehen eingegriffen zu haben.“

Kommuniqué des Automobile Club de l`Quest

Der Le Mans-Bericht des Journalisten beleuchtete auch die Rahmenbedingungen dieser Motorsportveranstaltung und das Vorspiel zu den eigentlichen „24 Stunden“ im Jahr 1969. So schreibt Dehrberg: „Schon zu Beginn der Technischen Abnahme wusste man, dass die Zahl der Teilnehmer unter 55 bleibt, die für das Rennen vorgesehen und zugelassen würden. Es hatten sich nur 54 Teams gemeldet, nachdem Alfa Romeo seine offizielle Rennmannschaft nicht gemeldet hatte: Die Tipo 33/3 schienen noch nicht so recht in Schuss zu sein. Drei Lola, vom Werk gemeldet, wurden ebenfalls zurückgezogen. Dann wurde doch noch der Ford GT40 des deutschen Teams Helmut Kelleners/Reinhold Jöst zugelassen. Auch das North American Racing Team durfte seinen Daytona schließlich einsetzen, der gerade homologiert worden war. Luigi Chinetti brachte den Wagen direkt von Modena nach Le Mans.“

Wie Zwickl, so entging auch Dehrberg natürlich nicht das Gerangel um technische Grundsatzfragen: „Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, dass während der fünf Tage vor dem Rennen nur noch von den Flügeln die Rede war. Als die Porsche am Dienstagmorgen erschienen, waren sie – wie es die Firma angekündigt hatte – mit einem festen und zwei beweglichen Flügeln ausgerüstet, die an der hinteren Aufhängung montiert wurden. Der ACO (Automobile Club de l`Quest) war bereit, größtmögliche Konzessionen zu machen. Im Verlauf des Nachmittags verlas Pierre Allanet ein Kommuniqué, in dem es hieß, die Veranstalter akzeptierten die Flügel (eine ,Interpretation‘ des Reglements durch die C.S.I.), aber sie würden verlangen, dass die Flügel beim Rennen fest montiert sein müssten. Das Training sollte in erster Linie dazu dienen, die beste Entscheidung in dieser prekären Situation zu treffen. Man muss nicht ausdrücklich betonen, dass dieser Beschluss die Teamleitung und die Techniker von Porsche nicht zufrieden stellten würde, denn die Flügel hatten ja nur ein Ziel: den Wagen sowohl in der Längsachse als auch seitlich zu stabilisieren, und zwar bei Unebenheiten der Straße sowie bei der Neigung des Wagens in den Kurven. Festmontierte Flügel, das war klar, würden wenig nützlich sein.“

Faszination der 24 Stunden von Le Mans

Faszination der 24 Stunden von Le Mans.

Jacky Ickx Ford GT40

Jacky Ickx (Ford GT40).

André Wicky Porsche 911 T vor John Woolfe Porsche 917

John Woolfe auf Porsche 917 (Startnummer 10) unmittelbar vor seinem tödlichen Unfall in der 1. Runde.

Gerard Larrousse

Gerard Larrousse.
Stommelens Trainingszeit: 3:22,9 Minuten - eine Sensation

Die ersten Trainingsläufe waren am Mittwoch, und es gelang Rolf Stommelen auf seinem 917, die beste Zeit zu fahren: 3:22,9 Minuten bedeutete einen Schnitt von 238,976 km/h. Um diesen Wert zu erreichen, fuhr der Kölner Porsche-Pilot seinen Wagen zeitweilig mit rund 380 km/h auf der Geraden. Dehrberg kommentierte diese Leistung: „Das bewies, wie gut der 917 läuft, obwohl seine Straßenlage nicht ganz so perfekt ist, selbst mit den beweglichen Flügeln. Andererseits ist anmerken, dass man Erfahrungen sammeln wollte, um dann zu versuchen, sich mit den Veranstaltern und deren Kompromissvorschlag zu arrangieren.“

Zur damaligen „Flügel“-Thematik schildert uns der Journalist: „Die Flügel wurden also fixiert und Stommelen drehte einige Runden. Doch sehr schnell kam er an die Porsche-Box zurück und sagte, dass er mit einem derart gefährlichen Wagen nicht fahren wolle. Unterdessen hatten einige Streckenposten bereits die Rennleitung angerufen und darauf hingewiesen, man solle den Wagen anhalten, da er anscheinend große Schwierigkeiten mit der Straßenlage habe. Elford, auch auf einem 917, lag schon 6 Sekunden zurück. Siffert – ebenfalls im Test mit einem 917 – fuhr nur eine Runde und musste dann wegen Ölverlustes an die Box.“

Dehrberg weiter: „An dieser Stelle ist klar zu sagen, dass Stommelen derjenige Pilot ist, der den 917 am besten kennt, weil er ihn öfter gefahren hat als seine Team-Kollegen. Außerdem hatte er wahrscheinlich den stärksten 17er, der mit rund 580 PS mindestens 20 PS mehr leistete als die übrigen 917. Erstaunlich, dass die Fahrer zahlreiche Anstrengungen des A.C.O. kaum honorierten: deren Aktivitäten bestanden unter anderem darin, für knapp 700.000 Mark Schutzplanken aufbauen zu lassen, besonders auf der langen Geraden. Wie vorgesehen, waren auch die Sandwälle bei den Kurven von Tertre Rouge und Mulsanne verschwunden und gaben diesen Streckenabschnitten ein neues Aussehen.“

Organisatorisch gab es 1969 eine wichtige Neuigkeit: Die Teamchefs mussten bis Donnerstagabend verbindlich ihre Fahrer-Besetzungen festgelegt haben. Der Autor über den zweiten Trainingstag: „Auch am Donnerstag war das Wetter gut, und wieder war Stommelen Schnellster. Er kam aber nicht mehr an seine Zeit des Vortages heran. Man wusste, dass die meisten Teilnehmer am zweiten Trainingstag ihre Wagen bis ins kleinste Detail herrichten wollten und Reifen sowie Bremsbeläge, die für das Rennen vorgesehen sind, einfahren würden. Zwei der drei Ferraris des N.A.R.T.-Teams hatten Unfälle. Francois Migault kam mit seinem Dino, den er sich mit Robert Mieusset teilte, in der Kurve von Hunaudières von der Strecke ab, als Pedro Rodriguez ihn überholen wollte. Beide Wagen wurden beschädigt und fielen somit aus. Gleiches Missgeschick widerfuhr dem Ford GT40 von Martin-Hanrioud, der zudem noch einen Motorschaden zu beklagen hatte.“

Erst am Tag vor dem Rennen wurde ein Kompromiss wegen der Flügel gefunden, die Porsche angebaut hatte: Die 917 (mit beweglichen Flügeln homologiert) durften ihre Flügel behalten, während hingegen der 908 feste Flügel haben musste. Somit starten also sechs Werkswagen aus Zuffenhausen in das 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1969.

Die Porsche gehen in Führung

Zum Rennverlauf und über die Platzierungen am Ende der jeweiligen Rennstunden hat Korrespondent Dieter Dehrberg dieser Homepage schließlich folgendes chronologisch aufbereitete Material zur Verfügung gestellt:

Insgesamt waren 45 Fahrzeuge zum Start aufgestellt. Um 14 Uhr senkt Bernard Consten, französischer Rallye- und Rundstreckenfahrer sowie Sportfunktionär, die Startflagge. Die Fahrer sprinten zu ihren Wagen. Die Motoren werden angelassen und die Wagen gehen einer nach dem anderen auf die Strecke. Stommelen führt zunächst das Feld an. Bei Maison Blanche liegt er einige Sekunden vor Elford, knapp dahinter folgen Siffert, Schütz, Herrmann, Bonnier, Lins, Hobbs, Pilette, Servoz-Gavin, Galli und Jabouille.

Genau hier, bei Maison Blanche, blockiert plötzlich eine Feuerkugel die Strecke. John Woolfe ist mit seinem 917 verunglückt. Chris Amon hat wegen der vielen umherliegenden Trümmer Reifendefekte. Er verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug, es fängt Feuer beim Passieren der Unglücksstelle. Die nachfolgenden Fahrer müssen aus dieser Feuerwand möglichst schnell raus, aber Jabouille sieht, dass auch sein Wagen Feuer fängt. Ein Streckenposten löscht das Fahrzeug hinter der „Dunlop-Kurve“. Drei Wagen fehlen: der Porsche von John Woolfe/Herbert Linge, der Ferrari von Chris Amon/Peter Schetty und der Alpine A 210 von Alain LeGuellec/Bernard Tramont.

In Runde zwei liegen fünf Porsche vor dem Lola und dem sechsten deutschen Wagen. Hobbs hält an der Box, um den Benzinverschluss seines Ford GT40 überprüfen zu lassen. Servoz-Gavin, der Pilette überholt hat, übernimmt jetzt die Führung der Verfolger. Elford liegt dicht hinter Stommelen, aber in der sechsten Runde muss der englische Porsche-Pilot für eine halbe Minute an die Boxen: Probleme mit der Fahrertür. So verliert er drei Plätze zugunsten von Siffert, Schütz und Herrmann. In der zehnten Runde hat sich Elford seinen zweiten PIatz zurückerobert und fährt gleichzeitig die bis dahin beste Runde mit 3:27,2 Minuten. Stommelen hatte seine Führung behauptet, bekommt aber in der Ford-Kurve technische Probleme und muss an die Boxen.

Der Zieleinlauf Ickx Oliver gewinnen vor Herrmann Larrousse

Der Zieleinlauf: Ickx/Oliver gewinnen vor Herrmann/Larrousse.

Elford Ahrens Porsche 917 Ausfall nach 327 Runden

Elford/Ahrens (Porsche 917): Ausfall nach 327 Runden.

Klassement am Ende der ersten Stunde:
Stommelen/Ahrens (Porsche 917) - Elford/Attwood (Porsche 917) - Siffert/Redman (Porsche 908) - Mitter/Schütz (Porsche 908) - Herrmann/Larrousse (Porsche 908) - Bonnier/Gregory (Lola-Chevrolet) - Kauhsen/Lins (Porsche 908) - Servoz-Gavin/Müller (Matra 630/650) - Galli/Widdows (Matra 630/650) - Beltoise/Courage (Matra 650) - Guichet/Vaccarelle (Matra 630) - Hobbs/Hailwood (Ford GT40) - Pilette/Slotemaker (Alfa 2,5 L) - Rodriguez/Piper (Ferrari 312P) - lckx/Oliver (Ford GT40) - de Cortanze/Vinatier (Alpine A 220) - Grandsire/Andruet (Alpine A 220) - Thérier/Nicolas (Alpine A 220) - Jöst/Kelleners (Ford GT40) - Zeccoli/Posey (Ferrari 250LM).

Klassement 2. Stunde:
Siffert/Redman (Porsche 908) - Elford/Attwood (Porsche 917) - Herrmann/Larrousse (Porsche 908) - Mitter/Schütz (Porsche 908) - Kauhsen/Lins (Porsche 908) - Servoz-Gavin/Müller (Matra 630/650) - Beltoise/Corage (Matra 650) - Bonnier/Gregory (Lola-Chevrolet) - Galli/Widdows (Matra 630/650) - Rodriguez/Piper (Ferrari 312P). Stommelen ist mit seinem Porsche 917 wegen Ölverlusts und einer rutschenden Kupplung zurückgefallen. Die anderen fünf Wagen aus Zuffenhausen halten die ersten Plätze des Klassements vor dem Matra 650 von Beltoise/Courage.

Klassement 3. Stunde:
Siffert/Redman (Porsche 908) - Elford/Attwood (Porsche 917) - Mitter/Schütz (Porsche 908) - Herrmann/Larrousse (Porsche 908) - Kauhsen/Lins (Porsche 908) - Beltoise/Courage (Matra 650) - Bonnier/Gregory (Lola-Chevrolet) - Servoz-Gavin/Müller (Matra 630/650) - Rodriguez/Piper (Ferrari 312P) - Galli/Widdows (Matra 630/650).

Klassement 4. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917) - Mitter/Schütz (Porsche 908) - Herrmann/Larrousse (Porsche 908) - Beltoise/Courage (Matra 650) - Kauhsen/Lins (Porsche 908) - Galli/Widdows (Matra 630/650) - Ickx/Oliver (Ford GT40) - Hobbs/Hailwood (Ford GT40) - Bonnier/Gregory (Lola-Chevrolet) - Guichet/ Vaccarella (Matra 630). Am Ende der vierten Stunde fährt Jo Siffert plötzlich an seine Box. Der Wagen ist in eine Rauchwolke gehüllt. Eine Ölleitung ist gerissen und kurz darauf besiegelt dieser Schaden das Rennen des Schweizers und seines Co-Piloten Brian Redman. Der Matra von Beltoise/Courage schiebt sich auf den vierten Platz. Servoz-Gavin/Müller fallen zurück, denn die Vorderradaufhängung des Matra macht Ärger. Die zwei Ford GT40 des Wyer-Teams liegen inzwischen auf den Plätzen 7 und 8.

Klassement 5. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 81 Runden - Mitter/Schütz (Porsche 908), 80 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 80 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 79 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 79 Runden - Ickx/Oliver (Ford GT40), 77 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 77 Runden - Bonnier/Gregory (Lola-Chevrolet), 77 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 77 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 77 Runden. Nach fünf Stunden Renndauer bleiben nur noch vier Porsche übrig, sie liegen aber in Führung. Beltoise/Courage auf dem Matra 650 liegen jetzt auf dem fünften Platz vor dem GT40 von Jacky lckx/Jackie Oliver.

Klassement 6. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 98 Runden - Mitter/Schütz (Porsche 908), 97 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 95 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 95 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 93 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 92 Runden - Ickx/Oliver (Ford GT40), 92 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 92 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 91 Runden. Schwerer Schlag für den bisher an dritter Stelle liegenden Porsche 908 von Herrmann/Larrousse: Der Wagen fällt ins Mittelfeld zurück, weil er mehrere Boxen-Stopps einlegen muss. Das Radlager vorne rechts ist defekt und muss gewechselt werden – insgesamt dauert das rund 40 Minuten.

Klassement 7. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 114 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 111 Runden - Mitter/Schütz (Porsche 908), 111 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 110 Runden - Ickx/Oliver (Ford GT40), 108 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 108 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 108 Runden - Bonnier/Gregory (Lola-Chevrolet), 107 Runden - Rodriguez/Piper (Ferrari 312P), 106 Runden.

Klassement 8. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 130 Runden - Mitter/Schütz (Porsche 908), 127 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 126 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 124 Runden - lckx/Oliver (Ford GT40), 123 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 123 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 123 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 122 Runden - Rodriguez/Piper (Ferrari 312P), 122 Runden - Thérier/Nicolas (Alpine A220), 120 Runden.

Klassement 9. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 146 Runden - Mitter/Schütz (Porsche 908), 143 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 141 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 139 Runden - lckx/Oliver (Ford GT40), 139 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 139 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 138 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 137 Runden - Rodriguez/Piper (Ferrari 312P), 135 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 135 Runden. 137 Runden Rodriguez-Piper 135 Runden - Herrmann-Larrousse, 135 Runden.

Klassement 10. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 161 Runden - Mitter/Schütz (Porsche 908), 158 Runden - Kauhsen/Lins(Porsche 908), 157 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 154 Runden - Ickx/Oliver (Ford GT40), 154 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 153 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 153 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 150 Runden - Thérier/Nicolas (Alpine A 220), 149 Runden.

Klassement 11. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 177 Runden - Mitter/Schütz (Porsche 908), 173 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908) 172 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 170 Runden - Ickx/Liver (Ford GT40), 169 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 169 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 168 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908) 166 Runden, - Rodriguez/Piper (Ferrari 312P), 162 Runden - Servoz-Gavin/Müller (Matra 630/650) 158 Runden.

Klassement zur Rennhälfte:
1) Elford/Attwood (Porsche 917) - 192 Runden
2) Mitter/Schütz (Porsche 908) - 188 Runden
3) Kauhsen/Lins (Porsche 908) - 187 Runden
4) lckx/Oliver (Ford GT40) - 184 Runden
5) Hobb/Hailwood (Ford GT 40) - 184 Runden
6) Guichet/Vaccarella (Matra 630) - 184 Runden
7) Beltoise/Courage Matra 650) - 183 Runden
8) Herrmann/Larrousse (Porsche 908) - 181 Runden
9) Rodriguez/Piper (Ferrari 312P) - 176 Runden
10) Kellener/Jöst (Ford GT40) - 172 Runden

Klassement 13. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 207 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 201 Runden - Ickx/Oliver (Ford GT40), 199 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 198 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 197 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 197 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 196 Runden - Rodriguez/Piper (Ferrari 312P), 191 Runden - Jöst/Kelleners (Ford GT40), 185 Runden - Posey/Zeccoli (Ferrari LM), 177 Runden.

Klassement 14. Stunde:
Elford/Ahrens (Porsche 917), 222 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 217 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 214 Runden - Ickx/Oliver (Ford GT40), 214 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 212 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 211 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 211 Runden - Rodriguez/Piper (Ferrari 312P), 205 Runden - Jöst/Kelleners (Ford GT40) 199 Runden - Posey/Zeccoli (Ferrari LM), 190 Runden. Die beiden Ford GT40 von John Wyer müssen länger als geplant an die Boxen, um Räder und Bremsbeläge zu wechseln. Das nutzt der Beltoise/Courage-Matra aus und schiebt sich auf den dritten Platz.

Klassement 15. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 238 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 232 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 228 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 227 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 227 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 226 Runden - Ickx/Oliver (Ford GT40), 225 Runden - Rodriguez/Piper (Ferrari 312P), 220 Runden - Jöst/Kelleners (Ford GT40), 213 Runden - Posey/Zeccoli (Ferrari LM), 204 Runden. Kurz nach 5:30 Uhr stoppt der Beltoise/Courage-Matra an den Boxen. Die Bremsscheiben-Reparatur dauert rund 20 Minuten und wirft den Wagen auf den 6. Platz zurück.

Klassement 16. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 253 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 248 Runden - lckx/Oliver (Ford GT40), 245 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 242 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 241 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 241 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 239 Runden - Jöst/Kelleners (Ford GT40), 228 Runden - Posey/Zeccoli (Ferrari LM), 218 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 212 Runden.

Klassement 17. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 269 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 263 Runden - lckx/Oliver (Porsche 908), 259 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 258 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 257 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 255 Runden - Beltoise-Courage (Matra 650), 255 Runden - Jöst/Kelleners (Ford GT40), 242 Runden - Posey/Zeccoli (Ferrari LM), 232 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 227 Runden.

Klassement 18. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 285 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 279 Runden - lckx/Oliver (Ford GT40), 275 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 274 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 272 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 271 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 270 Runden - Jöst/Kelleners (Ford GT40), 257 Runden - Posey/Zeccoli (Ferrari LM), 245 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 239 Runden.

Klassement 19. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 301 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 295 Runden - lckx/Oliver (Ford GT40), 291 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 290 Runden - Hobbs/Hailwood, 289 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 287 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 285 Runden - Jöst/Kelleners (Ford GT40), 269 Runden - Posey/Zeccoli (Ferrari 250 LM), 258 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 254 Runden.

Klassement 20. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 315 Runden - Kauhsen/Lins (Porsche 908), 311 Runden - lckx/Oliver (Ford GT40), 307 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 306 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 304 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 303 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 300 Runden - Jöst/Kelleners (Ford GT40), 283 Runden - Posey/Zeccoli (Ferrari 250LM), 271 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 270 Runden. Kurz nach 10 Uhr beginnen die spannendsten Stunden des Rennens. Zunächst muss der führende Attwood-917 an die Boxen, um die Kupplung nachstellen zu lassen. Aber die Mechaniker können den Schaden nicht beheben und Attwood fährt weiter – jetzt aber mit viel weniger „Dampf“. Eine Runde später wird seine Zeit genommen: 4:30 Minuten – nun ist es offensichtlich, dass er die vier Runden Vorsprung, die er noch hat, sicher verlieren wird. An der Spitze liegen nun Kauhsen/Lins vor lckx/Oliver und Herrmann/Larrousse. Unerwartet muss Zuffenhausen einen weiteren Tiefschlag verdauen: Der führende Porsche 908 von Kauhsen/Lins bekommt Probleme mit der Kraftübertragung. Eine Reparatur erscheint unmöglich. Kauhsen, der weiterfährt, muss wenig später aufgeben. Auch Attwood hat längst gemerkt, dass er in seinem 917 keine Chance mehr hat, das Rennen zu beenden. Seine Anstrengungen sind umsonst gewesen. Er stoppt an den Boxen und seine Mechaniker schieben den Wagen ins Fahrerlager – das Publikum applaudiert zurückhaltend ... Inzwischen hat sich ein Zweikampf „auf Biegen und Brechen“ entwickelt: zwischen dem an der Spitze liegenden Ford GT40 von Ickx/Oliver und dem Herrmann/Larrousse-Porsche 908, der versucht, zu überholen. Der dritte Platz wird weiterhin heftig umkämpft: Beltoise versucht ständig Angriffe auf den Ford von Hobbs-Hailwood zu starten, aber zu einem Positionswechsel kommt es nicht. Alle Augen sind nur noch auf die Spitzengruppe gerichtet.

Klassement 21. Stunde:
Elford/Attwood (Porsche 917), 327 Runden - Ickx/Oliver (Ford GT40), 323 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908) 322 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 319 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 319 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 315 Runden - Jöst/Kelleners (Ford GT40), 298 Runden - Posey/Zeccoli (Ferrari 250LM), 286 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 285 Runden - Poirot/Maublanc (Porsche 910), 272 Runden. Als der führende GT40 zum Nachtanken, zum Reifen- und zum Fahrerwechsel an die Boxen kommt, geht Hans Herrmann mit dem 908 in Führung. Doch auch Herrmann muss an die Boxen – Fahrerwechsel. Der Porsche wird betankt, und nach einem 45 Sekunden-Stopp fährt Larrousse weiter – in dem Augenblick, als der jetzt führende GT40 vorbeikommt. Larrousse übertrifft sich selbst: Er verringert in jeder Runde seinen Abstand zum Ford um einige Sekunden und schließt auf. Ein erbitterter Kampf, bei dem sich der Ford und der 908 wiederholt in der Führung abwechseln. Normalerweise müsste der Porsche vorn bleiben – er ist schneller als der GT40. Doch bereits während der Nacht hatte der Motor des 908 in der Leistung nachgelassen und in der Spitze 500 U/min weniger gedreht. Dies bedeutete in der Endgeschwindigkeit etwa 20 km/h, die dem Porsche nun fehlen. Um den dritten Platz wird zwischen dem zweiten Wyer-GT40 und dem Matra 650 von Beltoise/Courage nicht minder hart gekämpft.

Klassement 22. Stunde:
lckx/Oliver (Ford GT40), 338 Runden - Herrmann/Larrousse (Porsche 908), 338 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 335 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 335 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 329 Runden - Jöst/Kelleners (Ford GT40), 312 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 300 Runden - Posey/Zeccoli (Ferrari 250LM), 300 Runden - Poirot/Maublanc (Porsche 910), 285 Runden - Gaban-Deprez (Porsche 911), 281 Runden. Der Abstand zwischen dem GT40 und dem 908 wird immer geringer, und eine halbe Stunde später liegt Gérard Larrousse unter dem Jubel des Publikums nur noch eine Sekunde hinter Jacky lckx. Um 12:34 Uhr stoppt der Ford zum Auftanken. Larousse hat jetzt 56 Sekunden Vorsprung vor seinem Gegner, aber in der nächsten Runde muss auch er Sprit nachfassen. Herrmann übernimmt das Steuer, er startet 4 Sekunden hinter dem Ford. Der Ford hält etwa 5 Sekunden Vorsprung. Die große Unbekannte in diesem Herzschlag-Finale bleibt das Benzin. Bei Porsche wie bei Ford tankt man ungefähr jede Stunde, aber im Verlauf der packenden Schlussphase wird praktisch nur noch alle eineinviertel Stunden ein Boxenstopp eingelegt. Um 13 Uhr trennen die Rivalen nur noch 2 Sekunden.

Klassement 23. Stunde:
lckx/Oliver (Ford GT40), 354 Runden - Herrmann/Larousse (Porsche 908), 354 Runden - Hobbs/Hailwood (Ford GT40), 351 Runden - Beltoise/Courage (Matra 650), 351 Runden - Guichet/Vaccarella (Matra 630), 344 Runden - Jöst/Kelleners (Ford GT40), 326 Runden - Galli/Widdows (Matra 630/650), 315 Runden - Posey/Zeccoli (Ferrari 250LM), 314 Runden - Poirot-Maublanc (Porsche 910), 298 Runden - Gaban-Deprez, 294 Runden. In den folgenden Runden liegt der weiße 908 vorn, danach wechselt ständig die Führung. Der Schnitt beträgt jetzt rund 208 km/h. Zweifellos beschleunigt der Porsche schneller, aber der Ford erreicht auf der Geraden eine höhere Endgeschwindigkeit und liegt auch in den Kurven besser. In der letzten halben Stunde zieht Herrmann alle Register und setzt sich 15 Minuten vor Rennende nochmals an die Spitze. Doch lckx kontert, übernimmt wieder den ersten Platz und erkämpft sich sogar noch 1.5 Sekunden Vorsprung vor dem 908. Die letzte Runde ist angebrochen. Alle sind aufgesprungen und die, die einen tragbaren Fernseher dabei haben, lassen ihre Augen nicht von den Bildschirmen. Bei Tertre Rouge geht Herrmann erneut in Führung, aber lckx überholt ihn in der Kurve von Hunaudières. Der Belgier fährt einem phantastischen Sieg entgegen, Hans Herrmann liegt im Ziel nur 120 Meter hinter dem Ford GT40.

Das Endklassement von Le Mans 1969:
1) Jacky Ickx/Jackie Oliver (Ford GT40)
2) Hans Herrmann/Gerard Larrousse (Porsche 908)
3) David Hobbs/Mike Hailwood (Ford GT40)
4) Jean-Pierre Beltoise/Piers Courage (Matra 650)
5) Jean Guichet/Nino Vaccarella (Matra 630)
6) Helmut Kelleners/Reinhold Jöst (Porsche 908)
7) „Nanni“ Galli/Robin Widdows (Matra 630/650)
8) Teodoro Zeccoli/Sam Posey (Ferrari 250LM)
9) Christian Poirot/Pierre Maublanc (Porsche 910)
10) Jean-Pierre Gaban/Yves Deprez (Porsche 911S)


Siege, Bestzeiten, Rekorde und Titel – eine deutsche Sportlegende erinnert sich

Hans Herrmann ist einer der bekanntesten deutscher Automobilrennfahrer. Der gelernte Konditor zählte weltweit zu den vielseitigsten Piloten. Herrmanns Spezialität: Er trat in den unterschiedlichsten Rennsport-Kategorien an – in Tourenwagen, Sportwagen, Prototypen, Formel-1- und Formel-2-Rennwagen. In seiner Karriere fuhr er Veritas, Porsche, Mercedes-Benz, Ferrari, Maserati, Borgward, Cooper, BRM., Brabham, Abarth und Lotus.

Herrmann verfehlte 1969 zusammen mit seinem Teamgefährten Gerard Larrousse auf Porsche 908 nur knapp den Sieg beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Dort krönte er aber ein Jahr später seine Langstrecken-Karriere mit dem ersten Gesamtsieg für Porsche. Im strömenden Regen konnte er sich damals zusammen mit seinem Co-Piloten Richard Attwood im Porsche 917K durchsetzen.

Nach diesem Erfolg zog sich Hans Herrmann vom Rennsport zurück. In seinem Buch „Heroes“, erschienen im Motorbuch-Verlag Stuttgart, dokumentiert der bekannte Motorsport-Journalist Michael Schmidt, was im Automobilrennsport letztlich zählt: Es sind Siege, Bestzeiten, Rekorde und Titel. Herrmann wurde für dieses Buch gefragt, welches Rennen ihm mehr als alle anderen im Gedächtnis geblieben ist. Aus seiner Sicht war es das 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1969. Im Gespräch mit dem Autor erinnert sich der Rennfahrer, wie er das denkwürdige Finale beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans gegen Jacky Ickx/Jackie Oliver (Ford GT40) verlor. Im Ziel trennten den Sieger vom zweitplatzierten Porsche 908 nur knapp einhundert Meter.

Michael Schmidt stellte mir seine Aufzeichnungen vom Gespräch mit Hans Herrmann für diese Homepage zur Verfügung. Herzlichen Dank dafür!

Über das unglaubliche 24-Stunden-Rennen am 14. und 15. Juni 1969 berichtet das deutsche Rennidol:

Hans Herrmann Gerard Larrousse Porsche 908L

Herrmann (Porsche 908).

Legendärer Zieleinlauf Ickx siegt vor Herrmann

Legendärer Zieleinlauf: Ickx siegt vor Herrmann.

Herrmann fehlen 6o Meter zum Sieg

Herrmann fehlen 6o Meter zum Sieg.

Atmosphaere

Atmosphäre.

„Wir waren für das Rennen gar nicht die Favoriten. Weder Jacky Ickx, noch ich. Da gab es im Feld viel stärkere Autos als unseren Porsche 908 und den Ford GT 40. Ich saß mit Gerard Larrousse auf einem Auto. Ein sehr guter Mann. Ruhig, präzise, schnell. Wir haben schon unsere Chancen gesehen, weil wir darauf gesetzt haben, dass die Gegner in den großen Porsche und Ferrari vielleicht nicht so Material schonend unterwegs sein würden. In der Regel sitzen auf den schnellen Autos die heißblütigen Fahrer, die glauben, dass Le Mans nur drei Stunden dauert. Da half mir meine Erfahrung.“

Herrmann hat auf der Langstrecke von Le Mans einen großen Erfahrungsschatz gesammelt: „Ich bin dort 13 Mal gefahren. 1953 zum ersten Mal. Das Unglücksjahr 1955 musste ich auslassen. Ich war zusammen mit John Fitch auf das Unfallauto gesetzt. Wegen meines Trainingsunfalls in Monte Carlo konnte ich nicht fahren, und Mercedes-Chef Neubauer hat den Lokalmatador Pierre Levegh als Ersatz genommen. Wäre ich in dem Auto gesessen, wäre dieser Unfall vielleicht nie passiert. Ich wäre ja ganz anderswo im Rennen gelegen.“

1969 war das letzte 24-Stunden-Rennen mit dem klassischen Le Mans-Start. Dazu Herrmann: „Wir Fahrer haben diese Übung als Blödsinn empfunden, obwohl sie gar nicht so dumm war. Sie hat das Feld beim Start etwas entzerrt. Am Anfang haben sich viele Leute nicht angeschnallt, um Zeit zu gewinnen. Das hatte man mit der Zeit abgestellt. An jedem Auto stand ein Funktionär, der genau beobachtet hat, ob sich der Fahrer auch anschnallt. Falls nicht, wurde er nach einer Runde an die Boxen gerufen. Unser Chef war damals Ferdinand Piech. Natürlich musste alles immer perfekt sein. Auch der Start. Er hat uns in Sebring bis zum Umfallen trainieren lassen. Ich habe ihm mal gesagt: ,Herr Piech, wir sind doch keine Leichtathleten.‘ Er hat mir dann vorgerechnet, wie viel PS der Wagen mehr haben müsste, wenn ich beim Start vier Sekunden verliere.“

Bei den 24 Stunden von Le Mans 1969 gab es gleich in der Startrunde es einen schweren Unfall. Der Interviewpartner von Michael Schmidt hat dies damals kaum mitbekommen. „Der Porsche-Privatfahrer John Woolfe ist mit dem 917er in Maison Blanche tödlich verunglückt. Ein saugefährliches Geschlängel mit Häusern links und rechts. Glauben Sie es oder nicht. Ich habe davon praktisch nichts mitgekriegt. Nur Staub und Trümmer. Unfälle waren damals nichts Besonderes. Man hat das gar nicht so registriert“, so Herrmann.

Und dann kamen die letzten eineinhalb Stunden des Rennens. Der Porsche-Pilot berichtet: „Die letzte Tankfüllung. Plötzlich lagen Jacky Ickx und ich zusammen. In der Nacht war ich mal vier Runden hinten, weil uns ein Radlagerdefekt 20 Minuten gekostet hat. Aber im Verlauf von 24 Stunden passiert immer mal was. Unser Porsche 908 Langheck war auf der Geraden eigentlich schneller als der Ford GT40. Aber ich konnte in diesen letzten Runden den Motor nicht mehr voll ausdrehen. Mir fehlten so 300 bis 400 Umdrehungen. Auch meine Vorderradbremsen waren schon am Ende. Wir hatten im Cockpit ein Warnsignal, das uns angekündigt hatte, wenn die Bremsbeläge zu weit abgefahren wurden. Und das leuchtete ständig. Statt bei 200 Meter musste ich die Kurven bei 240 Metern anbremsen. Der Ickx hat das natürlich mit der Zeit spitz gekriegt. Eigentlich hätte ich an die Box fahren müssen. Der Dritte lag soweit zurück, dass ich mir einen Boxenstopp hätte leisten können ohne den zweiten Platz zu verlieren. Doch ich sagte mir, dass auch Jacky Ickx ein Problem bekommen könnte, und dann hätte ich ja den Sieg hergeschenkt. Ich hätte fast Recht behalten.“

Hans Herrmann

Hans Herrmann.

Start Ziel 13.469 km

Start bis Ziel - 13.469 km.

Herrmann erinnert sich an die Fortsetzung des Thrillers in Le Mans, als wenn es gerade erst passiert wäre: „Drei Runden vor Schluss ist Ickx in den Sandhaufen ausgangs der ,Mulsanne‘-Kurve gefahren. Er hatte aber derart viel Schwung, dass er sich wieder befreien konnte. Wir haben uns in diesem letzten Abschnitt zwei bis drei Mal gegenseitig überholt. Mein Porsche ging in den flüssigen Kurven besser, sein Ford war mir beim Bremsen überlegen. Manchmal sind wir auf der langen Geraden absichtlich vom Gas, nur um in den Windschatten des Anderen zu kommen. In der letzten Runde haben wir uns auf diese Weise gegenseitig belauert. Wie beim Radrennen. Und das bei 300 km/h. Immer auf der Suche nach einem Fehler des Anderen, auf der Suche nach seinen Schwächen. Da ich ja wusste, dass ich mit meinen Bremsen ein Problem hatte, kam mir die absurde Idee, in der letzten Runde in der Schikane vor Start und Ziel einfach voll draufzuhalten, wenn vorher gar nichts gelingt. So könnte ich ihn überraschen, überlegte ich mir. Der Plan sah so aus: Wenn ich die Schikane nicht normal anbremse und so an ihm vorbeiziehe, dann müsste ich innen den Randstein treffen. Der würde mein Auto ausheben, auf den gegenüberliegenden Randstein werfen, und dort würde es mich wahrscheinlich überschlagen. Ich wäre dann als Sieger auf dem Dach ins Ziel gerutscht, das ja gleich hinter der Schikane kam.“

Gottlob siegte bei Hans Herrmann am Ende die Vernunft: „Du bist also Sieger, dachte ich mir, aber vielleicht auch tot. Solche Gedanken hatte ich im Auto. Ich habe das dann zum Glück verworfen. Natürlich haben wir uns geärgert, so knapp zu verlieren. Herr Piech hat mir nachher gesagt, dass die Warnleuchte im Cockpit defekt gewesen sei und dass ich zu sehr Rücksicht auf die Bremsen genommen habe. Das stimmte natürlich nicht. Ich habe ja gemerkt, dass die Bremsen nicht mehr in Ordnung waren. Nach dieser Episode 1969 wurde Le Mans zu einem Rennen, das ich vor dem Ende meiner Karriere noch einmal gewinnen wollte. Meine Frau hatte in den letzten drei Jahren immer stärker darauf gedrängt, dass ich aufhöre. Da habe ich ihr vor dem 1970er-Rennen versprochen: Wenn ich diesmal gewinne, höre ich auf. Und so war es. Ich bin standhaft geblieben. Irgendwie war es ein Wink des Schicksals.“

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Ferrari 156 „Sharknose“ Replika

F156 65 unpainted studio shot

Er bleibt für immer einer der schönsten Formel-1-Renner aller Zeiten, ein würdiger Weltmeisterwagen und für viele Fans auf tragische Weise mit dem Andenken an Wolfgang Graf Berghe von Trips verbunden. Kein einziges Original ist erhalten geblieben ...

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Graf Trips: Pionier des Kartsports

Trips Kart

Wolfgang Graf Berghe von Trips erwarb Anfang 1960 in Los Angeles ein Go-Kart und brachte es nach Deutschland. Er entwickelte die Idee, mit eigenen Mitteln und mit Unterstützung eines Automobilclubs sowie mehrerer befreundeter Firmen eine Kart-Rennstrecke zu bauen. …

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Graf Trips in der Formel 1

Trips Kart

Der Aufstieg von Wolfgang Graf Berghe von Trips vom Sport- und Tourenwagenfahrer in die Formel 1 dauert nur rund zwei Jahre: Von 1954 bis 1956 startet er auf Porsche und Mercedes, dann verpflichtet ihn Enzo Ferrari für die Königsklasse des Motorsports...

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Graf Trips, TCA und die Formel Junior

Trips TCA

Seit 1956 hatte Wolfgang Graf Berghe von Trips zum Renn- und Sportwagenbau in Italien intensiven Kontakt. So verfolgte er hautnah als Ferrari-Werksfahrer auch die Gründung der Formel Junior-Kategorie als Rennserie für italienische Nachwuchs-Piloten…

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Trips auf Titeln von Publikationen

Trips Titelseiten

Über die erfolgreiche Rennkarriere von Graf Berghe von Trips wurde in den Medien ausführlich berichtet. Das führte auch dazu, dass er auf zahlreichen Covern nationaler und internationaler Publikationen sowie mehreren Rennsportbüchern abgebildet wurde...

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In Beaulieu schlagen Oldie-Herzen hoch

Beaulieu

Eingebettet in der malerischen Naturlandschaft am Rand des National Parks befindet sich "Palace House", der Herrensitz des Auto-begeisterten Lord Montagu (1926 - 2015). Montagu, der die Veranstaltung 1967 ins Leben rief, stellt inmitten seines Areals zweimal im Jahr ...

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Trips: seine Sport- und Rennwagen

Trips Rennwagen

Innerhalb von acht Jahren pilotierte Wolfgang Graf Berghe von Trips zahlreiche Wettbewerbs-Fahrzeuge aus Stuttgart-Zuffenhausen, aus Stuttgart-Untertürkheim und aus Maranello. Trips gewann die deutsche Meisterschaft und die Europa-Bergmeisterschaft für Porsche ...

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