7. Juni 1959, ADAC-1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring. „Ich weiß noch genau, wie Jack Fairman aus dem grünen Aston Martin sprang, sich hinter das Wagenheck setzte und das schwere Auto mit den Füßen von der Böschung weg zurück auf die Strecke drückte.“ So schildert Rennsportfotograf Kunibert Söntgerath die Sekunden, die er hautnah vor dem Brünnchen miterlebte - und natürlich im Bild festhielt. Nur eine von zahlreichen Episoden, an die sich Söntgerath spontan erinnert. Übrigens: Fairman war bei diesem Langstrecken-WM-Lauf am Nürburgring Co-Pilot des damals besten Fahrers der Welt, Stirling Moss. Trotz des Fairman-Missgeschicks siegte das britische Aston Martin-Team. Moss sei Dank ...
Kunibert Söntgerath, am 17. April 1935 in Bonn geboren, sah seine ersten Rennen 1949 auf dem deutschen Traditionskurs – den Eifelpokal und den Großen Preis am Nürburgring. Auch während seiner dreijährigen Lehre als Maler und Anstreicher verfolgte er zahlreiche Rennen auf der Eifelrennstrecke. Zu dieser Zeit stand für ihn fest, dass er nicht nur Motorsportfan sein wollte, sondern sich vielmehr der Rennsportfotografie widmen würde. Aus seinem Hobby wurde eine Leidenschaft. Der gebürtige Bonner, anfangs noch mit einer einfachen 6x6-Box und mit verschiedenen Agfa Klicks „auf Motivjagd“, rüstete um und verfolgte nun mit Edixa-Kameras, einer Pentax 6x7 und mit einer Rolleiflex 6x6 das Renngeschehen. Damals waren Mittel- und Großformat-Kameras gefragt – ihre Ergebnisse sprechen auch heute noch für sich. Söntgerath war aber nicht nur am Ring „im Einsatz“, auch auf anderen europäischen Schauplätzen wie in Monaco, in Spa, in Zolder, in Zandvoort und am Österreichring kämpfte er „in vorderster Fotografenfront“ - und machte sich schnell einen guten Namen. Dem sympathischen Selfmademan waren Fotos von Autorennen aber zu wenig: „Ich war eigentlich im gesamten Motorsport immer vor Ort. Mich interessierten von Anfang an auch Motorradrennen, Rallyes, Moto-Cross- sowie Enduro-Veranstaltungen. Besonders die Technik hat mich fasziniert.“
Söntgeraths Passion führte dazu, dass er nicht nur fünf Jahrzehnte Rennsportgeschichte - in hervorragenden Bildern - dokumentieren kann. Vielmehr wurden in dieser Zeit auch sein außergewöhnliches Talent und seine besondere Liebe zur Motorsportfotografie belohnt: „Ich bin stolz, dass ich im Laufe meiner langen Karriere als Fotograf mehrere Preise erhielt. So bekam ich unter anderem eine Auszeichnung der „Fédération Internationale Motocycliste “, und mehrfach siegte ich auch bei Foto-Wettbewerben großer Industrie-Unternehmen.“ Wahrscheinlich auch deshalb, weil Söntgeraths Aufnahmen immer das Besondere vermitteln und immer ihren persönlichen Ausdruck haben. Eines seiner Erfolgsgeheimnisse lautet: „Ich versuche stets, meine eigenen Vorstellungen in der Motorsportfotografie umzusetzen. Fotos sind Stehbilder, Bewegungsvorgänge in stehenden Bildern wiederzugeben, ist heute noch immer mein Ziel. Ich will meinen Aufnahmen stets eine malerische Wirkung geben. Ich bin bemüht, vom bitteren Ernst und von der besonderen Härte des Rennsports abzulenken. So befasse ich mich auch mit der Verwischungstechnik und der Verfremdung der Aufnahmen. Ich widme mich unter anderem den Dia-Mehrfachkopien, der Verwischung als expressiver Farbgestaltung und der additiven Farbmischung.“
Söntgerath hat Rennsportgeschichte fotografiert. Besonders die großen Fahrer der 50er- und 60er-Jahre hat er in bester Erinnerung behalten: „Fangio, Moss und Trips, später Rolf Stommelen, das waren meine Männer. Und dann die Rennen auf der Nordschleife, einfach unvergesslich. Damals war der Motorsport quasi noch zum Anfassen, die meisten Rennen haben wir hautnah miterlebt. Da hat das Fotografieren richtig Spaß gemacht.“ Und so entstanden einzigartige Aufnahmen, „copyright by Söntgerath“. Er vergisst dabei aber nicht, seine Frau Margret zu erwähnen: „Die hat mich nicht nur zu den meisten Veranstaltungen begleitet, sondern mir auch immer geholfen, egal was zu tun war.“ Eine ideale Verbindung …
Obwohl der inzwischen 71-jährige heute noch ständiger Foto-Mitarbeiter von Verlagen, Fachpublikationen und der Industrie ist, gilt seine besondere Liebe schon seit längerem der Malerei. In seinem Keller-Atelier ist eine einzigartige Bandbreite des Motorsports vorhanden, die in mehr als 350 Gemälden sichtbar wird. Dabei versteht es Söntgerath meisterhaft, von ihm selbst fotografierte Rennszenen zu malen. Das hat sich längst herumgesprochen, und so fehlt ihm oftmals die Zeit, allen Kundenwünschen gerecht zu werden. Zu seiner zweiten Passion meint er schmunzelnd: „Schon als kleiner Junge träumte ich davon, später einmal in einem Schloss zu arbeiten. Ein Traum, der sich später erfüllen sollte: Söntgerath arbeitete später lange Zeit als Maler auf Schloss Birlinghoven (nahe Sankt Augustin bei Bonn).
Söntgerath hat den Rennsport mit all seinen Facetten unmittelbar erlebt und seine Geschichte im Bild festgehalten. Dabei sind Fotodokumente entstanden, die die frühere Zeit widerspiegeln, den Wandel im gesamten Rennsport beschreiben, aber auch für die Neuzeit sprechen.