Studieren ging gar nicht, die Rundstrecke war ihm zu langweilig – also probierte Reinhard Klein vor 37 Jahren sein Glück als Knipser bei der Rallye Monte Carlo. Heute kennen wir ihn alle als
Fotografen, Buchautor und Slowly-Sideways-Chef. Ein Portträt von Michael Heimrich.
Wenn es nach dem Willen seiner Eltern gegangen wäre, würde Reinhard Klein heute im Stadtgymnasium von Köln-Porz in einem vollen Klassenraum stehen. Mit einem Stummel Kreide in der Hand würde er den kleinen Kevins und Lisas im Geografieunterricht etwas über die große, weite Welt erzählen – ohne sie selbst wirklich gesehen zu haben. Zum Glück hat Reinhard in seiner Jugend die 68er-Revolution miterlebt und seine ganz persönliche Rebellion gegen das Establishment geführt. Sonst hätte die Rallyegemeinde vermutlich auf zigtausende atemberaubende Fotos, wahnwitzige Panoramakalender und 1000-Seiten-Bücher sowie auf die Slowly-Sideways-Bewegung verzichten müssen.
Lehrer zu werden, das kam für Reinhard nie in Frage. Also meldete sich der Kölner nach dem Wehrdienst für ein Maschinenbaustudium in Aachen an – ein Kompromiss, mit dem Reinhards Eltern gut leben konnten, er selbst weniger. „Ich kam in den Hörsaal mit 1.000 Studenten, ganz unten sprach ein Männeken, das etwa drei Zentimeter groß war und nach dem letzten Wort seine Tasche packte und ging“, erinnert sich Reinhard. „Mir war sofort klar: Das kann es nicht sein.“ In den folgenden Wochen überlegte sich der Lehrersohn, was ihn im Leben eigentlich interessiert. Dabei fielen ihm drei Dinge ein: Motorsport, Fotografie und Reisen. Nach intensivem Studium von Powerslide und Co. kam er zu dem Entschluss: „Was deren Fotografen können, das kann ich auch.“ Also begann Reinhard mit der Spiegelreflexkamera seines Vaters an Wochenenden durch die Lande zu ziehen. Reinhard versuchte zunächst sein Glück auf der Rundstrecke bei Sport- und Tourenwagenrennen, das wurde ihm aber schnell zu langweilig, nachdem er dreimal hinter derselben Leitplanke gestanden hatte.
Im Januar 1975 gab es dann einen dieser Schlüsselmomente in Reinhards Leben: „Die Monte 1975 war meine erste Rallye“, blickt erzurück. „Ich bin darunter getrampt mit meiner Kamera, Schlafsack und 200 DM in der Tasche. Ich hatte keine Ahnung und dachte, die ganze Rallye würde sich in Monte Carlo abspielen. Erst da unten habe ich die Dimension von Rallye begriffen, dass da ganze Länder durchquert werden.“ Auch geschäftlich brachte das Debüt einen ersten Erfolg: Die Zeitschrift Rallye Racing druckte eines von Kleins Bildern ab, eine Langzeitbelichtung vom Col de Turini, und zahlte dafür 80 DM. Ab diesem Moment war Reinhard unheilbar infiziert. Trotz permanent knapper Kassefuhr er zu immer mehr Rallyes. 1977 besuchte Reinhard bereits alle europäischen WM-Läufe. „Flüge innerhalb Europas haben damals noch 600 oder 700 DM gekostet, das konnten wir uns nicht leisten“, erzählt Reinhard. „Wir sind meistens mit Ursulas Auto gefahren [Reinhards damalige Freundin, heute Ehefrau]. Portugal, Griechenland, Schweden – überall hin. Und weil wir uns keine Hotels leisten konnten,hießen wir irgendwann nur noch ‚Camping Klein‘.“ Dabei spendierte Ursula nicht nur das Auto, sie drehte auch Super-8-Filme und verlieh diese an Motorsportclubs, um die Reisen zu finanzieren. Anfang der 80er-Jahre produzierte Ursula sogar Rallyefilme für Datsun.
Der Rallyesport ist für die Kleins seit Jahr und Tag eine Familiensache. Töchterchen Claudia hat in ihren ersten Lebensjahren unzählige Wertungsprüfungen aus dem Kinderwagen verfolgt, weswegen die Kleins ihrem VW Käfer den Spitznamen „Milupa Ata Racing“ gaben. Später legten die Kölner ihre Familienurlaube mit Tochter Claudia und den Söhnen Daniel und Sebastian meist mit den anstehenden Rallyes zusammen – wie etwa die Safari zu Ostern, oder die Sanremo im Herbst.